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Guten Morgen, Tel Aviv

Guten Morgen, Tel Aviv

Titel: Guten Morgen, Tel Aviv
Autoren: Katharina Hoeftmann
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irgendwie zu lang. Meine Eltern, und nur die, nennen mich Nina. Also bot ich ihm diese Kurzversion an. Das führte jedoch dazu, dass mich nun in Israel alle Nina nennen. Deutschen, die ich hier kennenlerne, stelle ich mich aber immer noch als Katharina vor. Und meine Freunde von zu Hause kennen mich ebenfalls nur unter diesem Namen. Wenn sie mich dann besuchen kommen, reden sie von einer Person, die hier keiner kennt. Es ist ein Durcheinander. Manchmal muss ich beim Kennenlernen überlegen, in welchem Land ich gerade bin und welcher Ethnie mein Gegenüber angehört.
    Immerhin geht Nina den Israelis leicht von der Zunge. Im Gegensatz zu meinem Nachnamen mit dem »ö«. Und da ich deswegen hier nun »Nina Hoftmann« heiße, glauben alle, dass ich einen sehr jüdischen Namen habe. Mein wunderbarer, tatsächlich jüdischer Lebensfreund hingegen hat einen arabischen Mittelnamen. Das liegt daran, dass er nach seinem irakisch-israelischen Onkel benannt wurde, der leider im Jom-Kippur-Krieg für Israel gestorben ist. Trotzdem schauen die Sicherheitsinspektoren jedes Mal, wenn wir am Flughafen sind, misstrauisch in seinen Pass und haken nach. Warum ein arabischer Mittelname? Wie verdächtig. Da möchte man ja schon mal keinen arabischen Vollnamen haben.
    Ja, nomen est omen gilt auch hier im Heiligen Land. Apropos: Den Namen von Gott darf man im Judentum übrigens partout nicht sagen. Das soll mir recht sein. Einer weniger, den ich mir merken muss.

Der Schwiegerfriseur
    Israelische Friseure machen mir Angst. Israelische Mütter auch. Zusammen sind sie furchterregend!
    Meine Schwiegermutter in spe hat jetzt einen neuen Friseur in Tel Aviv. Samuel schneidet ihr die Haare zackig und färbt sie modern. Es sieht wirklich gut aus. Dementsprechend begeistert ist die Schwiegermama und möchte ihren Coiffeur am liebsten mit allen Damen der Familie teilen. Das ist etwas, was ich sehr an Israelis schätze, wenn sie etwas Tolles entdecken, teilen sie es. Es macht sie glücklich. Sie wollen es nicht für sich behalten, wie es in vielen anderen Völkern üblich ist, sondern dass möglichst viele profitieren. Die Aussage »aber verrat es keinem, sonst ist es kein Geheimtipp mehr« habe ich hier noch nie gehört.
    Ich bin eigentlich nicht besonders umständlich mit meinen Haaren. In Berlin gehe ich immer zum »Cut and Go«-Friseur. Wenn das Ganze mal ein bisschen zu kurz oder zu schräg ist, sage ich großzügig, das wird schon wieder wachsen. Meine ausländischen Freundinnen hier haben mir jedoch mit ihren Geschichten von israelischen Friseuren etwas Angst gemacht. Anscheinend tun diese nie, was man in Auftrag gibt, sondern immer nur, was sie selbst wollen. So hat Freundin L. statt geschnittener Spitzen einen Kurzhaarschnitt verpasst bekommen und Freundin A. statt Strähnchen eine völlig neue Haarfarbe. Bei Beschwerden sagen die israelischen Haarkünstler nur: »Ach, das wächst schon wieder.« Ich kann mir vorstellen, wie das autoritätenresistente Völkchen Haare bearbeitet. Dementsprechend skeptisch war ich, als die Begeisterung meiner Schwiegermama für ihre neueste Haar-Errungenschaft auch für mich spürbar wurde.
    Erschwerend kam dazu, dass ich gerade beschlossen hatte, meine Haare wachsen zu lassen, und daher alles, aber wirklich keinen Friseur gebrauchen konnte. Es half nichts. Als ich beim nächsten Mal aus Versehen die tolle Frisur der Freundesmutter komplimentierte, nutze sie die Chance und beschloss blitzschnell: »Oh, danke. Das nächste Mal nehme ich dich mit, und dann kann Samuel auch deine Haare schneiden.«
    Mit Israelis ist das so. Wenn sie etwas gut meinen und überzeugt davon sind, dass das, was sie für dich wollen, dein Leben zum Positiven verändern wird, kann man es ihnen nicht ausreden. Da helfen keine Argumente à la »Nee danke, ich lass meine Haare gerade wachsen« und auch keine vorgeschobenen Entschuldigungen wie »Ich habe gerade kein Geld für einen so teuren Friseur.« Mein Schicksal war besiegelt. »Dann macht dir Samuel halt nur einen Fan. Und bezahlen tu ich«, entschied die Schwiegermama in spe resolut. »Fan«, lernte ich dann, nennen die Israelis das Föhnen und Stylen nach dem Schneiden. Ich wollte nicht einmal das. Denn das hielt ich nun wirklich für Geldverschwendung. Aber für Einwände war es bereits zu spät. Schwiegermama hatte schon das Telefon in der Hand und verabredete in dieser Sekunde, wann wir kommen würden.
    Israelis scheinen besessen vom Haareschneiden zu sein. Nirgendwo auf der
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