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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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und betete. Dann tat es weniger weh.
    Als der Sanatoriumsaufenthalt für Pappi bewilligt wurde, ging Gaby mit Achim in die Kirche und dankte dem lieben Gott mit zehn Vaterunser. Sie winkten dem Zug nach, mit dem Pappi nach St. Andreasberg abfuhr, und auch Mutti war nicht sehr traurig.

    Die erste Kommunion war ein feierliches Fest, und Gaby fühlte sich in ihrem weißen Kleid wie eine kleine Braut. »Am liebsten möchte ich immer bei Ihnen im Kloster sein«, bekannte Gaby Schwester Agnes und schlang beide Arme um die Taille der Nonne. Einen kurzen Augenblick duldete die Schwester den Gefühlsausbruch, dann löste sie sich sanft aus der Umklammerung Gabys.
    »Erst mußt du dich im Leben beweisen«, sagte sie. »Was weiß ein Kind wie du schon vom Leben?«

    Elli war eine neue Mitschülerin, und vom ersten Augenblick an liebte Gaby sie. Elli bezauberte sie durch ihr glucksendes Lachen, dunkle Kohlenaugen und goldige, kleine Kräusellocken. Ellis Vater war auch im Krieg gefallen, aber sie lebte alleine mit ihrer Mutter.
    Sie wohnten zusammen in einem großen Zimmer. »Mehr haben wir auch nicht nötig«, sagte Elli. »Mutti geht immer mit mir schlafen, weil sie morgens früh in die Fabrik muß.«
    »Habt ihr keinen Onkel?« wollte Gaby wissen.
    Elli schüttelte ihren Kopf, so daß die Löckchen fröhlich hin- und herwippten. »Nein, und Mutti sagt auch, sie werde immer auf Vati warten.«
    »Aber er ist doch tot!« Gaby sah sie entgeistert an. »Wie kann sie auf einen Toten warten?«
    »Es ist schon passiert, daß totgeglaubte Soldaten wieder zurückkamen. Und stell dir vor, wenn die Frau dann verheiratet ist.«

    Gaby versuchte sich auszumalen, daß Vati wieder da wäre. Wahrscheinlich müßte Pappi dann gehen, denn Vati war ja zuerst mit Mutti verheiratet gewesen.
    Eine Zeitlang klammerte sie sich an diesen Gedanken, aber als Pappi aus dem Lungensanatorium zurückkam, erschien ihr das sehr unwahrscheinlich. Pappi war da, und so würde es bleiben.
    Elli war ihre beste Freundin geworden. Arm in Arm liefen sie über den Schulhof, machten jeden Tag zusammen Schularbeiten und tuschelten über die Jungens, die ihnen kleine Briefchen zusteckten. An oder Ab? stand darin und das bedeutete, ob man mit jemand gehen wollte oder nicht. Elli schwärmte eine Zeitlang für Rainer, aber dann sang er auf dem Schulhof: Du sollst mir doch nicht immer auf den Mund sehen, du willst nur einen Kuß, einen Kuß.
    »Ein unanständiger Junge«, sagte Elli. »Meine Mutter sagt, man küßt sich nur, wenn man verlobt ist oder jedenfalls beinahe.« Gaby hätte bei Holger gerne >an< gesagt, aber der traute sich nicht, sie zu fragen, sondern bekam immer rote Ohren, wenn sie mit Elli an seiner Bank vorbeiging. Und eigentlich hatte sie an Elli auch genug: eine Freundin, die sie sehr gern hatte und mit der sie über fast alles reden konnte.

    An einem Wochenende durfte Gaby bei Elli schlafen. Ellis Mutter briet Bratkartoffeln mit Speck, und danach spielten sie: Ich sehe was, was du nicht siehst. Elli gewann, weil Gaby viel zu auffällig zu dem Gegenstand guckte, der erraten werden mußte. Gaby freute sich, wenn Elli gewann. Durch deren Freude hatte sie selbst das Gefühl, gewonnen zu haben.

    Ein paar Wochen später durfte Elli bei Gaby über Nacht bleiben. Seit Oma Brinkjewski gestorben war, schlief Achim in ihrer kleinen Kammer, und Gaby hatte das Kinderzimmer für sich alleine. Das bedeutete allerdings auch, immer auf der Hut zu sein, daß Pappi sie nicht allein erwischte. Abschließen durfte sie das Zimmer nicht. »Wir sind eine Familie«, erklärte Pappi bestimmt, »da hat man keine verschlossenen Türen.«

    Als Elli sich in Achims altes Bett legte, fühlte Gaby sich richtig geborgen.
    »Ich gehe später in ein Kloster«, bekannte Gaby ihr im Schutz der Dunkelheit. »Ich möchte so wie Schwester Agnes werden, ein langes schwarzes Kleid tragen und in einem Haus mit hohen Mauern darum herum leben.«
    Elli lachte sie aus. »Du Dummchen, mit einem Mann kannst du doch auch in einem Haus leben. Ich will heiraten und viele Kinder haben.«
    Gaby schwieg eine ganze Weile. Konnte man mit einem Mann zusammen glücklich leben?
    »Weißt du, woher die Kinder kommen?« fragte sie ihre Freundin. Sie hörte Ellis Bett knarren. »Wenn man verheiratet ist und man hat sich lieb, dann bekommt man Kinder, hat meine Mutter gesagt.«
    »Vom Bäcker Behrend die Martha, die hat ein Kind und keinen Mann«, flüsterte Gaby.
    »Vielleicht ist er tot?« überlegte
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