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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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und mit denen sie über alles reden kann, die findet auch nur schwer jemanden, der ihr dann hilft und sie unterstützt. Das ist das Ziel, so ist sie dem Mißbraucher nur noch mehr ausgeliefert.
    Heute — nach ein paar Jahren Diskussion in der Öffentlichkeit — wissen bereits immer mehr Menschen über sexuellen Mißbrauch Bescheid: wie häufig so etwas Mädchen passiert; daß es schon sehr kleinen Mädchen passiert und daß nicht die Mädchen daran die Schuld tragen, sondern daß es die erwachsenen Männer sind, die alleine die Verantwortung für das, was sie tun, übernehmen müssen. Schon damals schien einigen Leuten die Sache mit Gaby nicht geheuer: Als sie von zu Hause fortlief, vermutete die Polizei, daß sie noch andere Gründe haben müsse. Aber sie wurde in Gegenwart des Vaters befragt, und da war niemand, die oder der ihr ganz in Ruhe und unter vier Augen Information gegeben hätte und sie darin bestärkt hätte, auszusprechen, was mit ihr los sei.
    Auch der Hausarzt, der sie ja von klein auf kannte, machte sich Sorgen um sie: Ihre Hautkrankheit ging einfach nicht weg; sie hatte Verletzungen, die durch einen Sturz auf der Treppe nun wirklich nicht erklärbar waren; sie verlangte nach Schlaftabletten; sie „fiel“ vor den Zug. Das alles hat ihn sehr beunruhigt, aber auch er kam nicht darauf, was es hätte sein können, und sein Unwissen hat es Gaby nicht möglich gemacht zu reden! Auch der Lehrerin fiel auf, daß sie nervös und verängstigt war, und weil sie eine sehr gerechte und energische Frau war, hätte Gaby mit ihr reden können, aber auch sie vermochte ihr nicht das Stichwort zu geben, das die Ängste beseitigen konnte.
    Für viele Mädchen ist es ein großes Glück, daß heute Lehrerinnen, Erzieherinnen, Polizeibeamtinnen und auch Ärztinnen und Ärzte langsam immer mehr über sexuellen Mißbrauch wissen. Es ist noch lange nicht genug, und viel zuviele Mädchen werden auch heute noch nicht gehört und mißverstanden wie Gaby. Aber es hat eine langsame Veränderung begonnen. Dieses Buch wird dazu beitragen, daß es weitergeht. Ein Arzt sollte wissen, daß gerade Hautbeschwerden, die gar nicht erklärbar sind, häufig mit sexuellen Übergriffen zu tun haben, daß bestimmte Verletzungen nur durch Mißhandlungen verursacht werden können, nicht durch Hinfallen. Er sollte in der Lage sein, mit einem Mädchen darüber zu reden. Nicht nur bohrende Fragen stellen — sondern Information geben und mit ihr direkt reden. Nicht mit den Eltern. Polizeibeamtinnen haben oft mit sexueller Gewalt zu tun. Sie sollten wissen: Wenn Mädchen von zu Hause fortlaufen, ist es einer der wichtigsten Gründe, daß sie sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind. Sie sollten sie schützen, nicht einfach mit dem Mißbraucher nach Hause schicken.
    Sie sollten auch wissen, daß Männer, die Mädchen ihrer Familie sexuell mißbrauchen, sehr oft nette, gutsituierte, höfliche oder gebildete Männer sind, die nach außen immer vorgeben, gute, besorgte Väter zu sein. Lehrerinnen sollten wissen, daß Nervosität, Konzentrationsprobleme oder ähnliche Schwierigkeiten bei Mädchen immer bedeuten, daß sie große Probleme haben. Sie können mit den Mädchen darüber reden — ohne daß die ganze Klasse drumherumsteht. Sie könnten im Unterricht über sexuelle Gewalt sprechen und den Mädchen ganz viele wichtige Informationen geben, ohne sie direkt ansprechen zu müssen. Gabys Lehrerin hätte dies vielleicht getan, wenn sie davon gewußt hätte, denn sie hat auch andere Probleme zur Sprache gebracht und Mädchen vor den Angriffen und Beschuldigungen anderer geschützt.
    Nur wenn viele Menschen etwas dafür tun, daß die Information über sexuellen Mißbrauch weiter getragen wird und recht viele Mädchen davon hören und wissen: Sie sind nicht die einzigen, denen so etwas passiert; sie sind nicht schuld daran; sie dürfen das Schweigen brechen, auch wenn sie versprochen haben, nichts zu sagen usw. — erst dann wird sich für Mädchen etwas ändern.
    Inzwischen sind in vielen Städten Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen eingerichtet worden, wo Frauen arbeiten, die sehr viel Erfahrung haben über sexuellen Mißbrauch und die sowohl die Mädchen beraten können als auch die Mütter oder andere Personen, die ein Mädchen unterstützen wollen. Es wäre gut, wenn mehr und mehr Mädchen den Mut fassen würden, zu diesen Gruppen oder Beratungsstellen zu gehen und ihr Problem auszusprechen. Es wird sicherlich noch Jahre dauern, bis wir sagen
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