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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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provozieren«, fuhr Gaby fort. »Keine Angst, es genügt schon, wenn ich sage, er solle nicht soviel trinken. Dann vielleicht noch einmal eine dumme Bemerkung. Sorge du dafür, daß Marties Vater sie um neun Uhr abholt. Gehe einfach hin und sage ihm, ihr ist schlecht geworden, ob er sie von uns abholen könnte.«
    »Ich kann sie doch nach Hause bringen?«
    Gaby schüttelte den Kopf. »Du begreifst nicht. Ich will einen Zeugen, einen Erwachsenen, wie mein Stiefvater mit mir umspringt!«
    Norbert kam entrüstet hoch. »Du willst ihn provozieren, damit er dich schlägt, und wir sollen zusehen?«
    »Du sowieso nicht«, besänftigte ihn Gaby. »Herr Thormälen soll mein Zeuge sein. Und ich paß schon auf, daß ich nicht zuviel abbekomme.«
    Norbert lief im Zimmer hin und her, knickte unwillig gegen unsichtbare Stolpersteine. »Dein Plan gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. Wie soll ich ruhig nach Hause fahren, wenn er dir etwas antut?«
    »Vergiß nicht, Martie ist auch noch da. Es wird schon nicht so schlimm werden. Denke daran, neun Uhr. Pünktlich!«
    Sie hatte Norbert nur diese Version des Planes erzählt. In Wirklichkeit wollte sie kurz vor neun Uhr die Wohnung verlassen. Irgendeine Ausrede: Mark hat ein Schulbuch vergessen, ich bin gleich wieder da, Martie. Übe in der Zwischenzeit die Vokabeln.
    Pappi und Martie allein in der Wohnung. Er würde es versuchen. Herr Thormälen kommt dazu. Sein Herzblatt und ein Sittenstrolch...
    Danach wird es leicht für sie sein, Muttis Unterschrift zur Volljährigkeit zu bekommen.
    Und ihr Name wäre in keinen Skandal verwickelt. Sie hatte nichts damit zu tun. Wollte nur nicht mehr unter einem Dach mit so einem Mann leben.

    Alles verlief programmgemäß.
    Mutti ging zum Bridge.
    Mark schlief bei Albert.
    Martie kam pünktlich wie immer.
    Pappi saß am Ofen. Er trank Bier und Korn und gierte über den Rand seiner Zeitung hinweg zu den Mädchen.
    Unauffällig sah Gaby immer wieder auf ihre Armbanduhr. Marties Vater brauchte nicht länger als vier bis fünf Minuten von seiner Wohnung bis zu ihrer. Kurz vor neun Uhr wollte sie Marks Lesebuch vom Tisch nehmen. Das bringe ich noch eben zu Alberts Eltern. Sonst fehlt es Mark morgen früh in der Schule.
    Kurz vor neun Uhr, nicht früher. Martie durfte nichts geschehen. Die Wohnungstür offenlassen, damit Herr Thormälen so eintreten konnte...
    »Du bist so abwesend!« Martie stieß sie mit dem Ellenbogen an. »Ich habe dich gefragt, wie du meine letzte Zwei findest. Noch dazu in Englisch.«
    Gaby schrak auf. »Gut, wirklich, ja. Eigentlich hast du meine Hilfe nicht mehr nötig.«
    »Ich komme ja auch nicht nur wegen der Hilfe in Englisch...«
    »Es gefällt ihr bei uns!« Pappi faltete seine Zeitung zusammen und lächelte Martie an.
    Jetzt.
    Gaby stand auf. Sieben Minuten vor neun Uhr.
    »Da liegt Marks Lesebuch. Ich bringe es zu Alberts Eltern. Er hat morgen früh in der ersten Stunde Lesen. Ich bin gleich zurück.«
    Sie wagte nicht, Martie anzusehen. »Wiederhole die Vokabeln von heute. Wenn ich zurückkomme, höre ich dich noch ab.«
    Laut fiel die Eingangstür ins Schloß. Mit ihrem Wohnungsschlüssel schloß sie die Tür leise wieder auf und legte eine zusammengefaltete Zeitung so zwischen die Tür, daß das Schloß nicht einrasten konnte.
    Dann ging sie im Dunkeln die Treppe hinunter und wartete im Keller auf Herrn Thormälens kräftigen Schritt.
    Fünf Minuten.
    Pappi wird nicht gleich über sie herfallen. Sie ist neues Terrain für ihn. Er wird ein Glas Wein anbieten. Als Muntermacher. Martie liebte süßen Rotwein.
    Zehn Minuten.
    Jetzt mußte Marties Vater gleich kommen. Pappis Hand unter Marties Rock, an ihrem Ausschnitt. Nicht-Begreifen bei Martie. Was will der Vater von Gaby? Herrn Thormälens ungläubiges, entsetztes Gesicht. Jemand besudelte sein Herzblatt. Dem würde er es geben.
    Fünfzehn Minuten.
    Ich kann nicht länger warten. Etwas hat Norbert aufgehalten. Herr Thormälen kommt nicht. Ihr Kartenhaus stürzt zusammen, begräbt Martie unter sich.
    Sie rast die Treppen hoch, stößt die Wohnungstür weit auf.
    »Nein, nein, bitte nicht«, hört sie Martie verängstigt rufen.
    Sie reißt die Wohnzimmertür auf. Er hat Martie halb auf den Tisch gedrückt, ihr Kleid hochgeschoben. Neben ihr steht eine Weinflasche, aus einem umgefallenen Glas breitet sich eine kleine, rote Lache auf dem Tischtuch aus.
    Sie zerrt ihn zurück, trommelt mit den Fäusten auf seinen Rücken, tritt gegen seine Beine.
    »Laß sie los, laß das
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