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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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Martie den Namen, als schmecke sie den unbekannten Reiz der fernen Großstadt. »New York. Ich glaube, du kannst mir ordentlich etwas beibringen.«
    »Nur in Mathe«, Gaby zog ein bedenkliches Gesicht, da hatte ich selbst immer Schwierigkeiten. Wie ich dir das schmackhaft machen soll?«
    »Nicht nötig.« Martie schlug ihr Matheheft auf. »Meine letzte Arbeit. Eine zwei. Hat mein Vater nicht gesagt, daß ich ausgerechnet im Rechnen ein As bin? Das habe ich von ihm geerbt.«
    Gaby mußte laut auflachen. »Nein, das hat er nicht gesagt. Um so besser.« Impulsiv nahm Gaby Marties Hände. »Wir werden uns gut verstehen. Ich mag dich.«
    »Ich dich auch!« lächelte Martie vertrauensvoll.

    Pappi verfolgte Martie mit wässrigen Gieraugen. Er betastete ihren mageren Mädchenkörper mit seinen Blicken und leckte seine trockenen Lippen, wenn sie an ihm vorbeiging.
    Gaby ließ Martie nicht aus den Augen. Wie damals bei Anne, bezog sie im Flur Posten, wenn Martie zur Toilette ging, bat sie mit in die Küche, wenn sie etwas zu trinken wollte. Sie wachte über sie wie eine Vogelmutter über ihr Junges.
    Martie bemerkte keine Gefahr.
    »Auf Wiedersehen, Herr Malsch«, grüßte sie freundlich beim Verlassen des Zimmers.
    »Eh, auf Wiedersehen, Martie!« Seine Stimme krächzte vor verhaltener Erregung.

17

    In der Berufsschule übersprang Gaby eine Klasse.
    »Ihre Leistungen lassen das zu«, teilte ihr der Leiter der Berufsschule mit.
    Wenn Gaby nicht gerade Martie Nachhilfeunterricht gab, saß sie über ihre eigenen Bücher gebeugt und stopfte sich mit dem verlangten Wissen voll. Nur zum Wochenende ging sie mit Norbert aus, unschuldige, kleine Vergnügungen: spazieren an der Alster, ins Heimatmuseum, ins Kino, hin und wieder ins Theater mit verbilligten Karten.
    Noch ein Jahr.
    Ihr Ziel, sie durfte ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren, sonst war sie selbst verloren. Sie dachte Tag und Nacht daran. Was sie auch tat, essen, trinken, schlafen, jetzt waren es nur noch Monate, noch Wochen, noch Tage...

18

    Dr. Rehbein beugte sich über Gaby. Sie erkannte nur die Stimme, seine Umrisse zerflossen zwischen den roten Nebeln, die vor ihren Augen wallten.
    »Sie muß ins Krankenhaus. Wahrscheinlich eine schwere Gehirnerschütterung.«
    Die Nebel wuchsen, schlossen sich zu einer Wand zusammen und verschwanden in einem dunklen, endlosen Tunnel.

    Martie kam mit Blumen, verweinten Augen: »Warum hat er das getan?« fragte sie und legte die Astern auf die Bettdecke.
    Herr Thormälen schob sie zur Tür, ein riesiger, unbeholfener Teddybär in einem etwas zu engen Sonntagsanzug.
    »Es ist ja gut, mein Herzblatt.«

    Norbert kam, blaß, sagte nichts. Er saß an ihrem Bett und starrte auf den blank gescheuerten Fußboden. »Ich bin schuld.« Er schluckte. »Nur ich. Ich kam zu spät, das Auto...«
    »Ja«, flüsterte Gaby, »das Auto. Aber jetzt macht es nichts mehr.«

    Mutti kam nicht.

    Stundenlang lag Gaby da und versuchte sich zu erinnern. Ihr Plan war gut gewesen. Langsam fügten sich die Bruchstücke wie ein Puzzle wieder zu einem Ganzen zusammen.

    Norbert hatte sie nur teilweise ins Vertrauen gezogen.
    »Ich will von zu Hause weg. Mein Stiefvater ist gemein zu mir. Wenn er getrunken hat, schlägt er mich.«
    Das war ausreichend, um Norberts Hilfe zu bekommen.
    »Ich könnte ihn zusammenschlagen!« Er ballte seine Fäuste. »Ihm zeigen, wie es ist, wenn man geprügelt wird.«
    »Nein, das ändert nichts. Ich will die Zustimmung der Behörde, daß ich ausziehen kann. Und nicht nur das. Ich will unabhängig sein. Das bin ich nur, wenn ich für volljährig erklärt bin. Dann kann er keinen Einfluß mehr geltend machen. Auch nicht über meine Mutter.
    Meine vorgezogene Prüfung vor der Handelskammer ist nächsten Freitag. Und gleich danach, am Montag abend, startet meine Aktion.«

    Martie kam nach wie vor zum Unterricht. Sie hatte ihn zwar nicht mehr so nötig, aber ihr Vater meinte, schaden würde es bestimmt nicht.

    »Montag abend ist meine Mutter immer zum Bridge«, erklärte Gaby Norbert. »Mark wird bei einem Freund schlafen. Das wollte er schon lange. Mein Stiefvater ist zu Hause. Er bleibt immer zu Hause, wenn Martie kommt...«
    »Warum?«
    »Ach«, Gaby zuckte die Schultern, »wahrscheinlich gefällt sie ihm. Sie ist so sanft, und sie ist in den letzten zwei Jahren noch hübscher geworden.«
    »Findest du?«
    Gaby merkte, daß es Norbert nicht aufgefallen war. Nach wie vor sah er nur sie.
    »Dann werde ich meinen Stiefvater
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