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gute freunde - boese freunde

gute freunde - boese freunde

Titel: gute freunde - boese freunde
Autoren: Elke Reichart
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Texte über sie reißen keinen vom Hocker. Die Helden heute heißen Zelda oder Niko Bellic, sind Paladine oder Mafiosi. Auch für die Mädchen ist was dabei, zum Beispiel Lara Croft aus Tomb Raider. Deren Geschichten sollten wir mal anschauen. Aber viele Lehrer halten Spiele einfach nur für einen dummen Zeitvertreib. Es sind aber auch »Kulturgüter«. Und nur, weil Lehrkräfte sie nicht kennen, sind sie noch lange nicht schlecht.

    Ein Problem ist dieses Hineinschliddern in die Kommerzfalle. Aber wenn man das nicht in der Schule lernt, wo sonst? Zum Glück hatte ich einen Lehrer, der – zwar nicht viel – aber wenigstens etwas Verständnis für meine Situation aufbrachte. Farmville und Mafia Wars mache ich gar nicht mehr auf. Und bei anderen Werbeanzeigen, die mich als Käufer anlocken wollen, oder Games bin ich jetzt auch wesentlich vorsichtiger.
    |205| Ich Tess (13). Mein Thema: Vom Gerüchte-Elefanten erdrückt

    Normalerweise muss man sein Alter angeben in Communities. Lokalisten geht zum Beispiel erst ab 14 Jahren. Ich bin dreizehn und dachte mir, dass das doch wirklich egal sei. Meine Mutter ist sehr neugierig. Ich würde nie ein Tagebuch bei mir im Zimmer liegen lassen. Da würde sie garantiert hineinsehen. Ich hatte mal ein Tagebuch mit Schloss geschenkt bekommen. Aber die Schlösser sind ja lächerlich. Die bekommt man mit jeder Haarklammer auf. Ich hatte nämlich mal den Schlüssel verloren und musste mein eigenes Tagebuch aufbrechen. Seitdem ich weiß, wie einfach das ist, schreibe ich nicht mehr hinein. Und außerdem ist das ja vollkommen out. Mein Tagebuch ist im Internet. Das hat ja noch viele andere Vorteile. Manches kann ich meinen Freundinnen zum Lesen geben, manches kann ich ganz für mich behalten und manche Dinge möchte man ja auch gerne mit der ganzen Welt teilen. Vor allem, wenn man sich freut.

    Jeden Tag stelle ich kleine Berichte aus meinem Leben ins Netz. Ich schreibe gerne, weil ich mir beim Schreiben Gedanken über meine Gedanken, Gefühle und Stimmungen machen kann. Ich bekomme dann eher heraus, wer ich bin, welche Stimmung ich gerade habe und wie ich mich in Zukunft verhalten will. Ich verziere meine Berichte mit Fotos, Songs oder Videos – je nach Stimmung.

    Wenn ich mir heute die alten Berichte, die ich mir eigens ausgedruckt habe, ansehe, werde ich manchmal traurig, denn ich war so naiv. Naiver kann man gar nicht sein. Letzten Endes wäre es einfacher gewesen, wenn meine Mutter das Tagebuch |206| gelesen hätte. Noch besser wäre es gewesen, wenn wir einmal ernsthaft über Cybermobbing gesprochen hätten, zum Beispiel im Religions- bzw. Ethikunterricht.

    Schließlich geht es darum, dass sich doch nur im Religionsunterricht die Gelegenheit bietet, mal über das zu sprechen, was gut und was schlecht ist. Unsere Lehrerin weist uns auf so viele Themen hin: Wir sprechen über Abtreibung, über Gentechnik, über Krieg und Kriegsberichterstattung und über Freundschaften. Aber nie, wirklich nie haben wir über Freundschaften und Mobbing in der Community gesprochen. Dabei läuft unser halbes Leben in Communities ab. Ich bin im Gymnasium, und da bleibt nicht viel Zeit für Treffen. Wir verabreden uns eigentlich jeden Nachmittag im Netz. Alle faseln von Moral, und keiner spricht mit uns über Moral, im Internet. Dabei wäre das mal wirklich nötig. Ich meine nicht Nettiquette! Man kann auch mit freundlichen Worten jemanden fertig machen. Ich weiß, wovon ich spreche:

    Eines Tages hatte ich wieder einmal einen kleinen Bericht geschrieben – über den Sonntags-Pflichtspaziergang mit meinen Eltern. Manchmal sind diese Spaziergänge nicht so schlimm, denn da ergibt sich die Gelegenheit, aus der Schule zu erzählen. Aber dieser Sonntagsspaziergang war ätzend, weil meine Eltern die ganze Zeit andere Paare trafen und ich nur blöd dabeistand, wenn sie sich begrüßten und drei banale Sätze über das Befinden austauschten. An diesem Sonntagabend schrieb ich hauptsächlich über einen Bekannten und dessen dicken Hund. Er schleifte ihn regelrecht hinter sich her, denn der Bauch des Hundes berührte fast den Boden. Ich beschrieb ihn als Tonne auf vier Beinen. Ich postete diesen Bericht für alle zugänglich. Das war Montag. Am Dienstag war meine Antwortliste bereits auf 10. Ich wunderte mich. Einige |207| Freundinnen fanden das sehr lustig, was ich geschrieben hatte, einige, vor allem die, die einen eigenen Hund haben, fanden mich gemein. Aber womit ich nicht gerechnet hatte, das waren die
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