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gute freunde - boese freunde

gute freunde - boese freunde

Titel: gute freunde - boese freunde
Autoren: Elke Reichart
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weitere Tests musste ich ein Abo abschließen. Nur zwei Euro im Monat waren mir das schon wert. Ein paar Tests später hatte ich es auch raus – und das, obwohl die Fragen gar nichts mit Kartoffeln oder Shotguns zu tun hatten, sondern mit Sprache, Mathe und logischem Denken. Nach zwei Wochen war ich auch dort der King und könnte es heute noch sein, denn das Abo läuft – leider – noch zwei Jahre.

    Spannender erscheint mir aber die Poker-App. Die Werbung war zwar voll übertrieben, denn das musste doch wohl klar sein, dass da nicht jeder Kohle machen kann, sondern auch ein paar Leute verlieren, aber ich fand, das hatte Stil und passte genau zu meinem Leben als Mafioso – ab und an gepflegt am Pokertisch zu sitzen und ein kleines Sümmchen zu setzen. Praktisch, denn man konnte das Ganze über seine Handyrechnung bezahlen. Damit meine Eltern sich wegen der hohen Handyrechnungen nicht total aufregten, habe ich auch ab und zu mit Prepaid-Karten meine Rechnungen beglichen. Die kann man einfach für Cash an der Tankstelle kaufen. Irgendwann reichte das Taschengeld nicht mehr. Da bettelte ich meine Oma an. Sie hört nicht mehr richtig, aber für Arbeiten auf dem Bauernhof öffnete sie natürlich ihr Herz und ihren Geldbeutel. Meine Freunde in der Schule fanden Farmville ziemlich lächerlich. Wenn ich sie um ein paar Euro anpumpte für ein neues Schweinchen namens Anke oder Anita, das ich ihnen natürlich persönlich gewidmet hatte, rückten sie aber ohne zu zögern ein paar Euro heraus, geliehen natürlich nur. Irgendwann hatten sie jedoch die Schnauze voll von meinem »Schweinkram«, vor allem, weil ich das Geld nie zurückgezahlt habe. Als sie mir Druck machten, konnte ich nicht mehr in |203| die Schule gehen. Eigentlich wollte ich nur drei Tage krank machen – eine kleine Pause einlegen. Aber da ich sowieso schon so schlechte Noten hatte und schon wieder eine Klassenarbeit in Geografie anstand, habe ich meine Krankheit etwas verlängert. Und dann – dann hatte ich gar keine Lust mehr hinzugehen. Da bekam meine Mutter eine Krise. Sie schleppte mich in die Schule und sprach mit meinem Klassenlehrer.

    Das war zum Glück der Biologielehrer, der sich in Farmville und mit Spielsucht ein wenig auskannte. In der nächsten Unterrichtsstunde nahmen wir Farmville durch. Er zeigte uns, was man aus dem Spiel lernen kann und was unrealistisch ist, und außerdem, dass die Firma, die dahintersteckt, mittlerweile ein Vermögen von 5,5 Milliarden Dollar angehäuft hat. Und ich hatte ihnen mit meinen Hühnern und Schweinen, die man nicht einmal essen kann, diesen Reichtum beschert! Ich kam mir richtig verarscht vor. Leuten wie mir das Geld aus der Tasche zu ziehen, das ist echt unfair. Auf der anderen Seite dachte ich mir auch, dass ich selber schuld bin an meiner Misere. Wieso hatte ich das nicht gecheckt? Warum bin ich auf diese Kombination von Community und Kommerz so leicht hereingefallen? Wäre mein Biologielehrer nicht gewesen, dann hätte ich vielleicht komplett den schulischen Anschluss verpasst. Es war reiner Zufall, dass er auf mein Thema eingehen konnte und nicht gleich mit der moralischen Keule kam. So habe ich alles wieder hinbekommen. Selbst das Geld habe ich zurückgeben können – dank eines Jobs in einer, ratet mal, Hühnchenbraterei (nur ein Witz).

    Irgendwie denke ich trotzdem ganz gern an meine »Spielerzeit« zurück. Es war so verrückt, in verschiedene Rollen schlüpfen zu können. Mir hat die Rolle des Bauern und des |204| Mafiabosses gut gefallen. Andere sind vielleicht lieber König oder Kaiser. In Geschichte haben wir zum Beispiel Napoleon durchgenommen: Kleiner Mann, aber große Armee. Der hat ein paar Jahrzehnte lang Europa ganz schön im Griff gehabt. Eins muss man Napoleon lassen, im Vergleich zu den anderen mit ihren Perücken hatte er echt Stil. Und Erfolg hatte er auch, in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz zum Beispiel. Mein bester Freund und ich wussten das meiste schon, unsere Geschichtslehrerin war ziemlich erstaunt. Was sie nicht wusste, ist, dass es ein Computerspiel mit dem Titel
Napoleon: Total War
gibt. Der Onkel meines Freundes hatte es ihm zum letzten Geburtstag geschenkt, und wir haben es ab und zu zusammen gespielt. Das sollten wir mal im Unterricht machen und dann darüber reden.
    Oder die ganzen Heldengeschichten, die wir uns in Deutsch vornehmen. Wen interessiert das denn, was Julius Cäsar und Odysseus früher gemacht haben. Ok, vielleicht ist das ganz spannend, aber die
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