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Gut zu wissen (German Edition)

Gut zu wissen (German Edition)

Titel: Gut zu wissen (German Edition)
Autoren: D.W. Marchwell
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berührte Jerrys Oberarm und wartete. Jerry konnte den Blick nicht von dem Jungen abwenden.
    „Wie alt?“ Jerry sah, wie der kleine Junge an seinem Sweatshirt herumzupfte. Es war ein großes, zu großes, weißes Fleece-Teil, mit einem großen, roten Ahornblatt auf der Vorderseite, das zu dem auf seinem Baseball-Cap passte. Keine Familie, kein Zuhause, ich will ihn auf keinen Fall und trotzdem hat man ihn gezwungen, sich wie ein Tourist anzuziehen. Jerry hätte sich am Liebsten zu einem von den Anzugträgern umgedreht und gefragt: Was denn, konnten sie etwa nichts mit einem ordinären Spruch oder dem Tourenplan einer Band vorne drauf finden?
    „Zehn.“
    Ziemlich klein für zehn , dachte Jerry, sprach seine Bedenken aber nicht laut aus. „Wie heißt er?“
    „William Baldwin Pruit III.“
    „Der Dritte? Ich dachte, der Name seines Vaters war Serge?“ Jerry sah Kevin einen Moment lang an, bevor er seinen Blick zurück zu William wandern ließ. „Wie kommt das?“
    „Angeberei vielleicht?“ Kevin zuckte mit den Schultern und deutete ein winziges Lächeln an. Ein wissendes Lächeln. Kevin beugte sich zu ihm herüber und lachte leise. „Serges echter Name war Malcolm Titford.“
    Jerry lachte und drehte sich um, um Kevin anzusehen. „Der arme Junge. Wenigstens wurde ihm das erspart.“ Er drehte sich mit verschränkten Armen wieder um und nahm die Szene, die sich vor ihm abspielte, in sich auf. „Ich konnte Serge nie leiden.“ Er schüttelte den Kopf und drehte sich wieder zu Kevin. Er wünschte sich, dass dieser flehentliche Ausdruck aus dem Gesicht des Anwalts verschwinden würde und fragte: „Wie zur Hölle kann man sterben und das eigene Kind mit Nichts zurücklassen?“
    „Das hat er nicht, Jerry. William könnte Sie haben. Bitte“, wiederholte Kevin leise und deutete auf die Haustür. Jerry betrat mit ihm zusammen das Haus und ging dann schnell zum Fenster, um den Jungen weiter zu beobachten. Sara führte ihn zur Veranda, um die Koffer abzustellen. William sah kurz auf und sein Blick richtete sich zögerlich auf Jerry. Jerry lächelte, er versuchte es zumindest. William sah weg. Sara und William liefen zum Schuppen. Geht ja nicht in mein Atelier , wollte Jerry sagen, aber er tat es nicht. Er beobachtete sie, während Kevin ihn mit Erklärungen und Argumenten überhäufte. Sie gingen nicht in den Schuppen, sondern waren anscheinend damit zufrieden, am Zaun des Paddocks zu lehnen. Wahrscheinlich machten sie irgendwelche schnalzenden Geräusche, um die Pferde auf sich aufmerksam zu machen.
    „Ich kann verstehen –“ Kevin brachte sich selbst zum Schweigen und begann von vorne. „Nein, es tut mir leid. Ich kann nicht verstehen, was sie gerade fühlen, aber glauben Sie mir, Jerry, wir haben nach einem –“
    „Besseren Platz gesucht?“
    „Ich wollte sagen ´passenderen Platz´, aber es gibt keine andere Möglichkeit.“ Kevin ging ein paar Schritte und stellte sich neben Jerry. „Keine Eltern, keine Tanten, keine Onkel. Sie haben Geld –“
    „Also hätte ich keine Probleme, oder wie?“
    „So in der Art.“ Kevin deutete auf das prall aufgepolsterte Sofa. „Können wir uns kurz hinsetzen?“
    Jerry setzte sich, ohne etwas zu sagen oder anzubieten.
    „Ich habe mich in dieser Sache aus dem Fenster gelehnt und Sara dazu überredet, mir dabei zu helfen, die Regeln ein wenig zu beugen.“
    Jerry hob eine Augenbraue.
    „Versuchen Sie es doch einfach für ein paar Wochen.“ Kevin rieb seine Hände aneinander. Jerry fragte sich, warum Kevin aufgeregter zu sein schien als er selbst. „Ich habe eine Menge Zeit mit diesem kleinen Jungen verbracht und er ist ... wunderbar. Kreativ, lustig und sehr, sehr verwirrt.“
    „Kevin.“ Jerry lachte ohne eine Spur von Humor. „Was ich über Kinder weiß, passt auf den Kopf einer Stecknadel und dann wäre immer noch genug Platz, um die Sixtinische Kapelle drauf zu malen.“
    „Sara wird Sie unterstützen, das verspreche ich.“ Kevin rutschte auf seinem Stuhl nach vorne und lächelte. „Der Junge braucht ein Zuhause, Jerry, und es trifft eben Sie, so leid es mir tut.“
    „Und was, wenn es nicht funktioniert?“ Jerry kniff sich in den Nasenrücken. „Wird es dadurch nicht schwerer werden, noch schlimmer ...“
    „Wie könnte es schlimmer werden?“ Kevin lachte und verstummte dann. „Das einzige, was er mir über seine Eltern erzählt hat, ist, dass sie ihn nicht wollten, dass sie nie da waren und in den letzten drei Monaten nicht mit ihm geredet
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