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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung
Autoren: Rotbuch-Verlag
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verteilt. Der Doppelblind-Student hat einem Freund erzählt, daß es mit dem Tippen sehr schnell gegangen war, und der Freund ist mit einem Drehbuch gekommen, das er bis Anfang des Jahres zu einem Drehbuch-Preis-Wettbewerb einreichen wollte und das noch nicht völlig fertig war. Es war ein Glanz-und-Elend-der-Großstadt-Drehbuch, und es hätte mich sehr gewundert, wenn es den Preis bekommen hätte, weil es mit Mitleid funktionierte, und natürlich konnte in den achtziger Jahren gar nichts mit Mitleid funktionieren, wo man sich seine Kopfschmerzen selber machte und also selber schuld war, wenn man Kopfweh und Krebs bekam. Aber es war ein dickes Drehbuch. Ich hatte knapp eine Woche Zeit, und der Drehbuchautor hat manchmal angerufen und ängstlich gefragt, ob ich dies und jenes noch ändern könnte, eine Einstellung, eine Szene oder etwas am Dialog, und zuletzt hat er Sekt mitgebracht, weil er ja kein Student war. Aber seine Freundin war eine Studentin und hat eine Arbeit gemacht, die noch nicht ganz fertig war, aber demnächst fertig sein würde. Also habe ich für diese Freundin das Motiv der Wasserleiche bei Georg Heym getippt. Das Psychosomatische an dieser Arbeit war, daß ich selbst vom Wasser ganz schwer und formlos geworden war und von der Schwangerschaft, ich habe die meiste Zeit wie ein aufgedunsener Buddha am Boden gesessen und auch die Schreibmaschine zuletzt auf den Boden gestellt, weil das die einzige Haltung war außer Liegen, in der ich es einigermaßen aushalten konnte, die kleine Katze hat sich manchmal in meinen Schoß gekringelt und gefreut, daß ich nicht mehr zu Hoffmann und Hoffmann tippen ging, und je mehr ich von Wasserleiche und Wahn bei dem Dichter Georg Heym abgetippt habe, um so unheimlicher war ich mir selbst.
    Es ist dann den Winter über so weitergegangen, weil jeder noch jemanden kennt, der etwas getippt haben will über Probleme Rotgrünblinder im staatlichen Straßenverkehr, über Kraftsport und Muskelbildung, über Gewerkschaft und Schulunterricht in der elften und zwölften Klasse, über Strategien der Weiblichkeit und Computer und Freizeitverhalten und Genuß und soziale Verantwortlichkeit und Umweltozon und Avantgarde und immer und immer so weiter. Einer hatte einen Motor erfunden, der mehr oder weniger mit Zuckersirup zum Laufen zu bringen war, es war eine schwierige Tipperei wegen der vielen Leerstellen, die du lassen mußt für die Zeichnungen zwischendrin, aber die Idee hat mir gut gefallen. Der Student hat gesagt, wenn ich bestanden habe, gebe ich einen aus. Es hätte mich interessiert, ob er bestanden hat.
    Ab und zu bin ich zum Arzt gegangen und habe in diese Kaffeeautomatenbecher gepinkelt. Manchmal habe ich mich mit dem Arzt noch ein bißchen gezankt. Einmal hat er gesagt, Sie sollten bald atmen lernen. Ich habe gesagt, was glauben Sie, wie ich bis heute durchgekommen bin. Mit unentwegt Luftanhalten. Er hat gesagt, wenn man sein Kind natürlich zur Welt bringen will, muß man das Atmen lernen. Ich war schon vom vielen Über-die-Hand-Pissen recht kläglich geworden und habe gesagt, und wenn man es nicht natürlich zur Welt bringen will, und da hat er gesagt, PDA . Es hat scheußlich geklungen, wie er gesagt hat, PDA . Was ist das, habe ich gesagt, und er hat gesagt, daß es Periduralanästhesie heißt und daß sie einem eine Spritze ins Rückenmark geben. Ich wollte keine Spritze ins Rückenmark. Mein Rückenmark fühlt sich bei dem Gedanken an eine Spritze ins Rückenmark taub an. Ich habe gesagt, und wieso tun sie das, der Arzt hat erklärt, daß sie es wegen der Schmerzen tun, und ich habe gesagt, lieber nicht PDA . Der Arzt hat mir noch mehrere Angebote gemacht, aber sie klangen alle nicht so, daß ich Lust gehabt hätte, sie auszuprobieren, also habe ich atmen gelernt. In dem Atemkurs saßen acht Frauen, und es hat sich herausgestellt, daß keine der Frauen wußte, wie Kinderkriegen und Kinderhaben nun geht. Vögeln konnten wir offenbar alle, aber damit war auch schon Schluß. Niemand wußte, wie es dann weitergeht. Die Atemfrau hatte zwei gräßliche Kinder, die immer kichernd ins Zimmer kamen, wenn wir gerade das Atmen lernten, und vor den Kindern war es mir peinlich, so zu atmen, wie wir das Atmen lernten. Zum Schluß sagte die Atemfrau, sie findet schwangere Formen sinnlich, womit sie unsere Bäuche meinte, und wir sollten uns überlegen, ob wir unsere schwangeren Formen nicht auch sinnlich finden, und herauskriegen, ob unsere Männer sie nicht auch sinnlich
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