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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Autoren: Gianrico Carofiglio
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tat, nicht richtig war. Wahrscheinlich war es unvermeidlich – sie hatte es sich in all diesen Wochen gewiss gründlich überlegt -, aber richtig war es mit Sicherheit nicht.
    Sie brachte noch andere Dinge vor, mit gebrochener Stimme. Doch sie hörten sich an wie das, was sie waren. Ausreden.
    Und während sie diese Dinge vorbrachte, hörte ich ihr schon nicht mehr zu. Die ganze Szene nahm die Unwirklichkeit eines Negativs an und grub sich mir als solches ins Gedächtnis ein.

1
    W ährend ich darauf wartete, dass die Richter den Saal betraten und die Sache meines Mandanten zum Aufruf kam, sah ich im Zuschauerraum eine junge Frau. Eine Asiatin mit deutlich europäischem Einschlag; sie war hübsch und wirkte etwas verloren.
    Ich fragte mich, weshalb sie wohl hier war, und wandte mich mehrmals nach ihr um, indem ich wie beiläufig meine Bank umrundete.
    Sie schien mich anzusehen, was natürlich Unsinn war. So eine hätte dich nicht einmal in deinen besten Zeiten angesehen, dachte ich. Was für Zeiten das gewesen sein sollten, hätte ich allerdings selbst nicht zu sagen gewusst.
    Über derlei Gedanken vergingen mindestens zehn Minuten. Dann kamen die Richter endlich aus dem Beratungszimmer, die Verhandlung begann, und ich hörte auf, über idiotische Fragen nachzudenken.
     
    Es war ein Prozess wegen bewaffneten Raubüberfalls, und der Hauptzeuge – das Opfer – wurde vernommen. Es war ein Schmuckvertreter, dem sie die Musterkollektion abgenommen hatten und ebenso die völlig überflüssige Pistole, die er bei sich getragen hatte.
    Zwei der Täter waren kurz nach dem Überfall mit der Diebesbeute im Wagen festgenommen worden. Sie hatten sich für ein Schnellverfahren entschieden und waren bereits zu verhältnismäßig milden Haftstrafen verurteilt worden. Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, Schmiere gestanden zu haben. Das Opfer hatte ihn auf dem Polizeipräsidium in einem Album mit Fotos von Vorbestraften wiedererkannt. Das Verfahren fand in Abwesenheit des Angeklagten statt, da mein Mandant – Herr Albanese, Amateurfußballer und Profiverbrecher – untergetaucht war, als er erfuhr, dass man ihn suchte. Er hatte gerade erst eine Haftstrafe verbüßt und wollte nicht schon wieder ins Gefängnis. In diesem Fall sei er unschuldig, behauptete er.
    Die Vernehmung durch den Staatsanwalt dauerte nicht lange. Der Schmuckvertreter war seiner Sache sicher und kein bisschen eingeschüchtert durch die Umstände. Er bestätigte sämtliche im Laufe der Ermittlungen gemachten Aussagen, einschließlich der Lichtbildvorlage, das Foto wurde in die Prozessakte aufgenommen, und dann durfte ich mit dem Kreuzverhör beginnen.
    »Ihrer Aussage zufolge handelte es sich bei den Tätern um drei Personen. Zwei haben Ihnen Ihre Musterkollektion und die Pistole abgenommen, ein Dritter stand, so schien Ihnen, etwas abseits und passte auf. Richtig?«
    »Ja. Der Dritte stand an der Ecke, später sind sie aber alle drei zusammen weggelaufen.«
    »Können Sie uns bestätigen, dass der Dritte, also der Mann, den Sie hinterher auf dem Foto wiedererkannt haben, rund zwanzig Meter von Ihnen entfernt stand?«
    »Ja, fünfzehn, zwanzig Meter.«
    »Gut. Dann schildern Sie uns jetzt doch einmal kurz den Ablauf der Lichtbildvorlage, die am Tag nach dem Überfall auf dem Polizeipräsidium stattfand.«
    »Ich bekam verschiedene Alben zur Ansicht vorgelegt, und in einem davon war das Bild dieses Mannes.«
    »Hatten Sie ihn früher schon einmal gesehen? Ich meine, vor dem Überfall?«
    »Nein. Aber als ich sein Gesicht in dem Album sah, war mir sofort klar: Den kennst du. Und dann fiel mir ein, dass er es war, der Schmiere gestanden hatte.«
    »Spielen Sie Fußball?«
    »Verzeihung?«
    »Ich fragte, ob Sie Fußball spielen.«
    Der Vorsitzende wollte wissen, was diese Frage mit dem Gegenstand unseres Prozesses zu tun hätte. Ich versicherte ihm, das werde sich innerhalb weniger Minuten erweisen, worauf er mich bat fortzufahren.
    »Spielen Sie Fußball? Nehmen Sie an irgendwelchen Meisterschaften oder Turnieren teil?«
    Der Zeuge bejahte. Ich zog aus meiner Akte ein Foto von zwei Fußballmannschaften hervor, eines von denen, die gern vor einem Spiel gemacht werden. Daraufhin bat ich den Richter, es dem Zeugen vorlegen zu dürfen, und ging zu diesem hinüber.
    »Erkennen Sie jemanden auf diesem Foto?«
    »Klar. Da bin ich, da sind meine Mannschaftskameraden...«
    »Können Sie uns sagen, wann dieses Foto gemacht wurde?«
    »Das war letzten Sommer, vor dem
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