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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht
Autoren: Gianrico Carofiglio
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entsprechende Nummer vergegenwärtigen. Die Nummer… 080…5219… Noch einmal: 080…52198… Nein. 52196… Nein.
    Sie fiel mir nicht mehr ein. Absurd. Es waren keine zwei Jahre vergangen, und ich hatte die Nummer vergessen. Dabei hatte ich sie vor wenigen Monaten doch noch auswendig gewählt. Genauer gesagt, hatte ich sie also in wenigen Monaten vergessen.
    Nun ja, es war unsinnig, sich deswegen den Kopf zu zerbrechen. So etwas kommt vor.
    Ich suchte Saras Nummer im Telefonbuch, aber dort stand sie nicht.
    Im ersten Moment war ich ratlos, dann hatte ich die glückliche Eingebung, unter meinem Namen im Telefonbuch zu suchen. Und da stand sie. Ich meine, unter der alten Adresse. In meiner jetzigen Wohnung war das Telefon auf den Namen der Vermieterin angemeldet.
    Ich starrte noch eine ganze Weile auf den Apparat, aber ich wusste, dass die Zeit ablief.
    Ich hoffe bloß, sie geht ran. Was sage ich, wenn sich der Typ vom letzten Mal meldet? Guten Abend, ich bin der Ex-Mann, das heißt nein, der geschiedene Mann. Ja, Sie haben richtig verstanden, genau dieser entsetzliche Mensch. Ich würde gern mit Sara sprechen. Bitte, mein Herr, nehmen Sie sich zusammen. Was, Sie polieren mir die Fresse, wenn ich’s noch mal versuche? Passen Sie auf, wie Sie reden, ich war mal Boxer. Ach, Sie sind Meister in Full-Contact-Karate? Na, dann habe ich nur gescherzt...
    Schließlich wählte ich die Nummer, indem ich schnell und ohne nachzudenken auf die Tasten drückte. Das war die einzige Möglichkeit.
    Nach dreimaligem Läuten nahm Sara ab.
    Sie schien sich über meinen Anruf nicht zu wundern. Im Gegenteil, sie schien sich zu freuen. Es ging ihr gut, ja. Auch mir ging es gut. Ja, bestimmt, es ging mir ausgezeichnet. Nein, sie fand nur, ich klang ein bisschen seltsam. Ob wir uns heute Abend sehen konnten? Also praktisch in zwei Stunden, und das nach zwei Jahren? Sie beglückwünschte mich dazu, dass ich es immer noch fertig brachte, sie zu überraschen, das war nicht leicht. Das freute mich – es freute mich wirklich – aber konnten wir uns, abgesehen davon, denn nun sehen? Zum Abendessen oder danach, auf ein Glas Wein. Prima. Sollte ich sie abholen kommen, oder brachte sie das in Schwierigkeiten? Gelächter. Gut, dann kam ich Punkt zehn bei ihr vorbei. Was sollte ich machen, unten klingeln, oder wollte sie vor der Haustür auf mich warten? Nein, ich meinte nur, für den Fall... Erneutes Gelächter. Gut, ich klingelte. Bis später, ciao. Ciao.
    Ich zog mich schnell an und verließ schnell das Haus. Die Geschäfte schlossen um acht.
    Ich beeilte mich und war um halb neun wieder zu Hause. Jetzt musste ich irgendwie die Zeit bis zehn Uhr überbrücken. Ich las ein bisschen in Zen und die Kunst des Bogenschießens. Aber das war nicht die richtige Lektüre. Mir fiel ein, dass ich Musik hören konnte. Rimmel von Francesco De Gregori erschien mir passend, doch in Anbetracht der Tatsache, dass man pathetische Töne auch dann meiden sollte, wenn man allein ist, gab ich das Vorhaben wieder auf. Am besten, ich ging gleich aus dem Haus.
    Um noch etwas Zeit totzuschlagen, zog ich mich um, dann nahm ich die Tüte und ging hinunter.
    Draußen streunte ich durch die Straßen, bis ich Punkt zehn vor Saras Haus stand und klingelte. Sie antwortete, wie sie es immer getan hatte: Ich komme runter.
    Als sie aus der Haustür trat, gab sie mir einen Kuss auf die Wange, und ich gab ihr ebenfalls einen Kuss auf die Wange. Ich weiß nicht, ob ihr die Tüte in meiner Hand auffiel; sie zeigte es jedenfalls nicht. Wir holten mein Auto und fuhren zu einem Restaurant am Meer, in der Nähe von Polignano.
    Während der Fahrt redeten wir nicht viel, und während des Abendessens auch nicht.
    Sie wartete darauf, dass ich ihr sagte, warum ich sie hatte treffen wollen. Ich wartete, bis wir mit dem Essen fertig waren, denn wenn man Geduld hat, findet man für alles den richtigen Zeitpunkt. Das glaubte ich, neben anderem, inzwischen gelernt zu haben.
    Also teilten wir uns zunächst einen großen Hummer, der mit Öl und Zitrone angemacht war. Dazu tranken wir kalten Weißwein. Hin und wieder warfen wir uns einen Blick zu, redeten über dies und das und aßen weiter. Hin und wieder warf Sara mir einen fragenden Blick zu.
    Als wir fertig gegessen hatten, bezahlte ich und fragte sie, ob sie Lust auf einen kleinen Spaziergang hatte. Hatte sie.
    Während wir gingen, begann ich zu sprechen.
    »Ich habe eine sehr... eigenartige Zeit hinter mir. Mir sind ein paar Dinge
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