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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht
Autoren: Gianrico Carofiglio
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sei.
    Beim Verlassen des Gerichtssaals vermied ich es, den Eltern der jungen Frau in die Augen zu sehen.
     
    Der Bärtige ging, und ich setzte – meinen Brechreiz unterdrückend – die Beschwerde gegen die Beschlagnahme seines mobilen Gourmettempels auf.
    Dann fuhr ich nach Hause.
    Freitagabends gingen wir für gewöhnlich erst ins Kino und danach zum Abendessen, immer mit derselben Clique.
    Ich beteiligte mich nie an der Auswahl des Films und des Restaurants. Ich tat, was Sara und die andern beschlossen und ließ den Abend in einer Art Dämmerzustand über mich ergehen, in der Hoffnung, dass er nicht allzu lange dauern würde. Nur wenn es zur Abwechslung mal einen Film gab, der mir wirklich gefiel, taute ich ein wenig auf, aber das war immer seltener der Fall.
    Als ich an diesem Freitagabend nach Hause kam, war Sara bereits ausgehbereit. Ich wollte kurz duschen und mich umziehen, dazu brauchte ich mindestens eine Viertelstunde, sagte ich ihr.
    Ach so, sie ging heute mit ihren Freunden aus. Was das für Freunde wären? Die vom Fotokurs. Das hätte sie mir auch früher sagen können, dann hätte ich mich darauf eingestellt. Sie habe es mir schon gestern gesagt, aber wenn ich ihr nicht zuhörte, könne sie nichts dafür. Okay, kein Grund, sich aufzuregen, mir würde schon noch etwas einfallen, was ich tun könnte, falls es dazu jetzt nicht schon zu spät war. Nein, ich wolle ihr kein schlechtes Gewissen machen, ich wolle nur das sagen, was ich gesagt hatte, sonst nichts. Okay, wir ließen das besser, diese Diskussion führe doch zu nichts.
    Sie ging aus, und ich blieb zu Hause. Zuerst dachte ich daran, die üblichen Freitagsfreunde anzurufen und mit ihnen auszugehen. Doch dann kam es mir plötzlich extrem schwierig vor, ihnen zu erklären, warum Sara heute nicht mitkam und was sie stattdessen machte; vermutlich würden sie das befremdlich finden. Ich beschloss, von dieser Aktion abzusehen.
    Als Alternative versuchte ich, eine Freundin zu erreichen, mit der ich mich in dieser Zeit bisweilen (heimlich) traf, aber sie flüsterte ins Handy, dass sie gerade mit ihrem Freund zusammen sei. Was hatte ich an einem Freitagabend auch anderes erwartet? Ich kam mir irgendwie überflüssig vor; das Beste war, ich würde mir eine Videocassette ausleihen – irgendeinen guten Krimi -, eine tiefgefrorene Pizza in den Ofen schieben und dazu ein großes, kaltes Bier trinken. Irgendwie würde ich diesen Freitagabend schon rumbringen.
    Ich entschied mich für den Film Black Rain , obwohl ich ihn schon zweimal gesehen hatte. Ich schaute ihn mir ein drittes Mal an und fand ihn immer noch gut. Nebenher aß ich die Pizza und trank das Bier. Danach trank ich noch einen Whisky und rauchte mehrere Zigaretten. Beim anschließenden Herumschalten mit der Fernbedienung stellte ich fest, dass die Lokalsender neuerdings wieder Hardcorepornos zeigten. Daraus schloss ich, dass es nach ein Uhr war, und so ging ich ins Bett.
    Ich weiß nicht, wann ich einschlief, und ich weiß auch nicht, wann Sara zurückkam, weil ich sie gar nicht hörte.
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, war sie bereits aufgestanden. Ich ging mit verschlafenem Gesicht in die Küche und sie schenkte mir wortlos eine Tasse Kaffee ein, keinen Espresso, sondern Filterkaffee. Wir mochten beide Filterkaffee mit viel Wasser nach amerikanischer Art.
    Ich nippte zweimal daran und wollte sie gerade fragen, wann sie letzte Nacht heimgekommen sei, als sie mir mitteilte, dass sie sich scheiden lassen wollte.
    »Guido, ich möchte, dass wir uns scheiden lassen«, sagte sie. Einfach so.
    Nach vielen Sekunden dröhnenden Schweigens fühlte ich mich zur banalsten aller Fragen genötigt.
    Warum?
    Sie erklärte mir, warum. Sie war ganz ruhig und ungerührt. Vielleicht dächte ich, sie hätte nicht gemerkt, wie mein Leben in den letzten, sagen wir mal, zwei Jahren ausgesehen hatte, was ich so trieb. Aber sie hatte es gemerkt, und es hatte ihr überhaupt nicht gefallen. Was sie dabei am meisten demütigte, war gar nicht meine Untreue – dieses Wort spie sie mir förmlich ins Gesicht -, sondern der Umstand, dass ich sie für dumm verkaufte und damit wirklich respektlos behandelte. Sie wisse nicht, ob ich immer schon so gewesen oder es erst geworden sei; sie wisse auch nicht, welche der beiden Möglichkeiten ihr lieber wäre, vielleicht sei es ihr auch egal.
    Jedenfalls sei ich ein absolut mittelmäßiger Mann geworden oder immer schon gewesen. Und sie habe keine Lust mit einem mittelmäßigen Mann
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