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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht
Autoren: Gianrico Carofiglio
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zusammenzuleben. Nicht mehr.
    Als echt mittelmäßigem Mann fiel mir nichts Besseres ein, als sie zu fragen, ob sie einen anderen hätte. Sie antwortete mit einem schlichten Nein und fügte hinzu, dass mich das ab sofort auch gar nichts mehr angehe.
    Richtig.
    Unser Gespräch dauerte nicht mehr lang, und zehn Tage später war ich bereits ausgezogen.

2
    N achdem ich – ganz zivil – zu Hause rausgeflogen war, änderte sich mein Leben. Leider nicht zum Besseren, aber das sollte ich erst später merken.
    In den ersten Monaten empfand ich noch Erleichterung und fast so etwas wie Dankbarkeit Sara gegenüber. Für den Mut, den sie aufgebracht und der mir immer gefehlt hatte.
    Im Grunde hatte sie für mich die Kastanien aus dem Feuer geholt, wie es so schön heißt.
    Wie oft hatte ich mir gesagt, dass es so nicht weitergehen konnte, dass ich etwas unternehmen musste – die Initiative ergreifen, eine Lösung suchen, reinen Tisch machen. Irgendetwas.
    Da ich jedoch ein Feigling war, unternahm ich nichts, bis auf den einen oder anderen Seitensprung, wenn sich die Gelegenheit bot.
    Wenn ich darüber nachdachte, taten mir die Dinge, die sie mir an diesem Morgen gesagt hatte, schon weh. Mittelmäßig hatte sie mich genannt, und als einen Schuft hingestellt, und ich hatte alles widerspruchslos eingesteckt.
    In den ersten Tagen nach jenem verhängnisvollen Samstag, nein, eigentlich erst, als ich schon in meiner neuen Wohnung war, brütete ich darüber, was ich ihr hätte antworten können, um wenigstens einen Hauch von Würde zu bewahren.
    Sätze wie »Ich will meine Verantwortung ja nicht abstreiten, aber bedenke bitte, dass nie einer allein schuld an allem ist« und ähnliche, kamen mir in den Sinn.
    Aber Gott sei Dank geschah das, wie gesagt, erst ein paar Tage später. An besagtem Samstagmorgen blieb ich stumm und vermied dadurch, mich auch noch lächerlich zu machen.
    Irgendwann gab ich auch das Brüten auf. Was blieb, war hie und da noch ein Stich ins Herz, wenn ich mir überlegte, wo Sara in diesem Moment sein mochte, was sie wohl tat und vor allem mit wem sie es tat.
    Ich war sehr geschickt darin, diese Stiche zu ignorieren und rasch wieder zum Verschwinden zu bringen, ich drängte sie einfach dorthin zurück, woher sie kamen, oder an noch tiefere und verborgenere Orte.
    Einige Monate lang führte ich das ausschweifende Leben eines frisch gebackenen Singles – das, was man gemeinhin ein Leben in Saus und Braus nennt.
    Ich traf mich mit ausgefallenen Leuten, ging auf langweilige Partys, trank zu viel, rauchte zu viel, et cetera.
    Ich ging jeden Abend aus. Die Vorstellung, allein zu Hause zu bleiben, war mir unerträglich.
    Natürlich hatte ich auch ein paar Affären.
    Aber ich erinnere mich nicht an ein einziges Gespräch mit einem dieser Mädchen.
    Und irgendwann, mittendrin, fand dann noch die Verhandlung zur einvernehmlichen Scheidung statt. Alles ging problemlos über die Bühne. Sara blieb in der Wohnung, sie gehörte ihr. Ich benahm mich so anständig wie möglich, indem ich freiwillig auf Möbel, Haushaltsgeräte und überhaupt alles bis auf meine Bücher verzichtete, und nicht einmal die nahm ich alle mit.
    Wir trafen uns im Vorzimmer des Scheidungsrichters. Es war das erste Mal seit unserer Trennung. Sara hatte sich die Haare schneiden lassen, war leicht gebräunt, und ich überlegte, wo und in wessen Gesellschaft sie wohl zu dieser Bräune gekommen war.
    Keine angenehme Überlegung.
    Bevor ich etwas sagen konnte, kam sie auf mich zu und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, eine Geste, die mir mehr als alles andere das Gefühl von Unwiderruflichkeit gab. Mit knapp achtunddreißig Jahren entdeckte ich zum ersten Mal, dass die Dinge tatsächlich ein Ende haben.
    Der Vorsitzende unternahm einen Versöhnungsversuch, wie es das Gesetz vorschreibt. Wir verhielten uns höflich und zivilisiert. Sie war die Einzige, die sprach, und das wenig. Wir hätten es so entschieden, sagte sie. Dieser Schritt sei wohlüberlegt und werde in gegenseitigem Einvernehmen unternommen.
    Ich blieb stumm, nickte nur und fühlte mich wie der Nebendarsteller in einem Film. Da es keine Probleme mit Kindern, Geld oder Wohnung gab, war alles rasch geklärt.
    Draußen, vor der Tür des Richters, gab sie mir noch mal einen Kuss, diesmal in die Nähe des Mundwinkels, und sagte: »Ciao.«
    »Ciao«, sagte ich, aber sie hatte sich bereits umgedreht und ging weg.
    »Ciao«, sagte ich noch einmal ins Nichts hinein, nachdem ich eine Weile an der Wand
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