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Gucci war gestern

Titel: Gucci war gestern
Autoren: Jen Lancaster
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Fingernägel. Durch meine Heimarbeit habe ich beinahe 40 Dollar gespart. 207
    »Wow, ich bin beeindruckt.« Sie drapiert mir einen Plastikumhang um die Schulter und klippt ihn im Nacken fest. Im Spiegel sehe ich, wie sie den Kopf schüttelt, während sie den Schaden begutachtet. »Wo sind denn Ihre Sachen?«
    »Meine Handtasche liegt hier unter dem Cape auf meinem Schoß. Warum fragen Sie?«
    Rory macht sich daran, meine Haare gekonnt mit dem Stiel ihres Kamms in Strähnen abzuteilen. »Nein, Sie Dummchen, ich meine Ihre Einkauftüten. Ich habe Sie ja vorne kaum erkannt, ohne ein Dutzend Hochglanztüten mit Kordelgriffen in der Hand.
Ich habe sogar die Zeitschriften vom Sitz gleich neben Ihnen geräumt, damit Sie genug Platz haben, um alles zu verstauen.« Und dann pinselt sie meine Haare vom Ansatz her mit Peroxid ein und wickelt jede Strähne in ein kleines Stückchen Folie.
    »Ach. Ich gehe nicht mehr shoppen.«
    Rory hält mitten in der Bewegung inne und guckt mich ungläubig an. »Soll das ein Scherz sein? Jen, die Königin der Michigan Avenue? Wieso denn das?«
    »Ich will ein bisschen sparen.«
    »Ehrlich? Bewunderswert, diese Willensstärke.« Sie pinselt eine kupferfarbene Tönung auf die Strähnchen zwischen den Folienpäckchen. Ich bin ganz still, während sie abteilt und einstreicht. »Schauen Sie bitte nach unten. Ich muss an Ihren Hinterkopf. Aber ich wette, in Nordstroms Schuhabteilung werden Sie schmerzlich vermisst.«
    »Bestimmt. Die Kinder der Verkäuferinnen müssen jetzt sicher auf ein staatliches College gehen, bloß weil ich eine Ausgabensperre verhängt habe.« Wir müssen beide lachen.
    »Sparen Sie für den Urlaub? Oder irgendwas anderes Spannendes?«
    Über diese Frage muss ich erst kurz nachdenken.
    »Ja, eigentlich schon.«
    »Ach, und wofür?«
    Unsere Zukunft.

EPILOG
    Webeintrag vom 14.12.2003
    Ich wär’ so gerne wie Saddam
    Heute ist ihnen also Saddam Hussein ins Netz gegangen. Ehrlich gesagt kann ich gut verstehen, dass er sich verkrochen hatte. Wäre ich ein Diktator, würde ich all meine Paläste und die Porträts mit meinem Konterfei auf sämtlichen Häuserwänden auch nicht einfach kampflos aufgeben, bloß weil irgendein ausländisches Land das von mir verlangt. Mal im Ernst, ich denke, ein Leben wie das von Saddam muss doch auch sein Gutes haben.
    Als Saddam an die Macht kam, hatte er netterweise von Staats wegen alle Macht in den Händen. Also, ich bin mir sicher, wäre ich ein Diktator, wäre ich auch ein Verfechter unbegrenzter Machtbefugnisse, vor allem angesichts der Tatsache, dass mein eigenes Streben nach der Weltherrschaft bereits in ziemlich jungen Jahren einsetzte. Ich war gerade drei, als ich an Weihnachten versuchte, das Spielzeug zu klauen, das mein Bruder geschenkt bekommen hatte, woraufhin er zu meiner Mutter sagte: »Erst macht sie in die Windel, und jetzt macht sie nichts als Ärger.« Ein anderer vielsagender Zwischenfall ereignete sich in der dritten Klasse, als ich stolz verkündete: »Stacy Coopersmith macht alles, was ich ihr sage.« (Ein Glück für Stacy, dass ihre Familie im vierten Schuljahr nach Arizona zog. Auch wenn ich nicht glaube, dass ich irgendwas mit diesem Umzug zu tun hatte, konnte ich mir da doch nie ganz sicher sein.)

    Meine Politik der widerrechtlichen Aneignung und Grenzübertretung folgte mir bis aufs College. Obwohl meine Zimmergenossin im ersten Jahr, Joanna, einen tapferen, wenn auch aussichtslosen Kampf führte, ihre Zimmerhälfte gegen mich zu verteidigen, ging ich doch am Ende als Sieger aus dem Gefecht um mehr Stauraum für meine Pullover hervor. Als wir schließlich auszogen, gehörten schätzungsweise fünfundsiebzig Prozent der zur Verfügung stehenden Grundfläche des Zimmers mir.
    Sollte ich also Diktator von Amerika werden, das dann umgehend in Jennsylvanien umbenannt würde, mein erster Eroberungsfeldzug würde mich wohl nach Kanada führen. Klingt, als sei es da ganz nett, also würde ich es gerne unter meine Fittiche nehmen. Meine Armee würde ganz in Rosa,Grün und Khaki gekleidet in Klamotten von Ralph Lauren und Lacoste einfallen. (Und wer bitte behauptet, man könnte in klassischen Lederslippern nicht marschieren? Die sind unglaublich bequem.) Ich würde den Kanadiern - die bald Jenadier hießen - nichts tun, da ich Saddams gewaltsamen Regierungsstil rundweg ablehne. Nein, ich würde sie so lange bearbeiten, bis sie sich einfach ergeben - so ähnlich wie bei Joanna, durch unablässiges Gequassel und Generve
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