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Grüne Magie

Grüne Magie

Titel: Grüne Magie
Autoren: Jack Vance
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Jetzt aber erschien ihm diese Welt fast schon fremd. Tränen strömten ihm über die Wangen. Er hob die Hand und wandte sich um. Unmittelbar darauf spürte er, wie das Boot ins Wasser gelassen wurde, und die Schwimmer schoben es durch die Öffnung im Riff aufs offene Meer. Noch einmal drehte er sich um und sah zum Dorf zurück, kämpfte gegen die jähe Versuchung an, vom Katamaran zu springen und zu den jungen Leuten am Strand zurückzukehren. Er setzte das Segel, und der Wind blähte es sofort auf. Sein Boot wurde schneller, glitt nach Westen, fort vom Riff, und die Insel blieb rasch hinter ihm zurück.
    Über die blauen Wellen mit den weißen Schaumkronen hinweg – und das Wasser gurgelte an den beiden Rümpfen entlang und sang eine ganz besondere Melodie. Der Bug hob und senkte sich. Die Stunden verstrichen, und der Nachmittag trübte sich und gewann einen goldenen Ton. Der Schein der untergehenden Sonne setzte den Horizont in Brand, und bald darauf verblaßte auch jenes Schimmern. Am Himmel zeigten sich die ersten Sterne, und Inga saß schweigend am Ruder und hielt das Segel voll in den Wind. Um Mitternacht holte er es ein, ließ das Boot treiben und legte sich schlafen.
    Am Morgen war er völlig allein. Wohin er auch sah: Überall erstreckte sich der endlose Ozean. Erneut hob er das Segel und setzte die Reise nach Westen fort. So verging dieser Tag, und auch der nächste und übernächste. Inga war froh, daß er so viele Vorräte an Bord genommen hatte. Am sechsten Tag stellte er fest, daß der Wind kühler wurde. Am achten verbarg sich die Sonne hinter einer seltsam dichten Wolkendecke. Aus dem Blau des Meeres wurde ein schaumiges Grau, das kurze Zeit später eine grünliche Färbung gewann, und das Wasser war nun ziemlich kalt. Der Wind blies immer heftiger und zerrte und riß an dem Bastsegel, und Inga duckte sich in den Unterstand, um der Gischt zu entgehen. Am Morgen des neunten Tages glaubte er in der Ferne einige dunkle Konturen auszumachen, und bis zum Mittag wurde daraus eine hohe Klippenwand. Die Brandung donnerte an einzelne Felsen und flutete über groben Kies. Einige Stunden später schob Inga sein Boot auf den Strand und watete aus dem Wasser. Er zitterte und fröstelte in der Kühle und versuchte sich über seine Lage klarzuwerden. Bis auf einige wenige Möwen war weit und breit nichts Lebendiges zu sehen. Etwa hundert Meter weiter rechts machte er die geborstenen Rümpfe eines anderen Katamarans aus, und jenseits davon lag ein Haufen aus Holz und zerrissenem Weidengeflecht, bei dem es sich einst um ein weiteres Boot gehandelt haben mochte.
    Inga trug die ihm noch verbliebenen Vorräte an Land, band sie zusammen und folgte anschließend einem schmalen Pfad durch die Klippenbarriere. Nach einer Weile gelangte er in einen Bereich aus niedrigen graugrünen Dünen. Zwei oder drei Meilen weiter landeinwärts erhoben sich kleine Hügel, und in jene Richtung schien der Weg zu führen.
    Inga blickte nach rechts und links – und erneut sah er nur Möwen und keine anderen lebenden Wesen. Er schulterte sein Bündel und folgte dem Verlauf des Pfades.
    In der Nähe der Hügel fand er eine Hütte aus Torf und Stein, und daneben erstreckte sich ein kleiner Garten. Ein Mann und eine Frau arbeiteten dort. Inga wagte sich noch etwas näher heran und fragte sich, mit was für Geschöpfen er es zu tun haben mochte. Sie ähnelten Menschen, hatten zwei Arme, zwei Beine und ein Gesicht – aber wie dünn und ausgemergelt sie doch wirkten! Die Haut war faltig und runzlig, und die Arbeit schien ihnen große Mühe zu bereiten! Rasch wanderte er weiter, und offenbar bemerkten ihn die beiden Gestalten nicht.
    Inga schritt nun rascher aus, denn es dauerte nicht mehr lange, bis die Nacht begann. Der Pfad führte durch ein Tal, in dem verkrüppelte Eichen und schlicht aussehende, purpurgrüne Büsche wuchsen. Am Hang entlang setzte er sich fort, durch eine steinerne Lücke, in der der Wind zischte und pfiff. Inga betrat den granitenen Spalt und sah in ein zweites Tal. Sein Blick fiel auf niedrige Bäume und kleine Bereiche aus bestelltem Land, und er bemerkte auch eine Ansammlung von Hütten. Langsam ging er darauf zu. Ein Mann, der auf einem nahen Acker arbeitete, hob den Kopf. Inga blieb stehen, denn die Gestalt erschien ihm vertraut. War das nicht Akara ta Oma, der vor zehn oder zwölf Sommern losgesegelt war? Unmöglich! Dieser Mann war dick und fast kahlköpfig, und die Wangen wirkten aufgedunsen. Nein, das konnte nicht
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