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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten
Autoren: Campus
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über seine entspannte Stimmung gewesen, berichtet Olek |34| heute amüsiert. »Nach der Sitzung hat mich ein Teilnehmer angesprochen und gesagt: ›Und ich hatte gedacht, Sie würden einen
     Nervenzusammenbruch kriegen und wir müssten Sie behandeln lassen.‹ Der hatte gedacht, dass meine ganze Unsentimentalität und
     Coolness vorgespielt sei und meine Erklärungen, nicht ewig dabei bleiben zu wollen, ein reines Machtinstrument eines Theatermachers
     seien, um gewisse Dinge durchzusetzen.«
    Oleks Worten zufolge sei er nach der Sitzung einfach nur erleichtert gewesen. »Ich glaube, ich war selten so gut gelaunt.
     Dieses Gefühl von Freiheit zusammen mit den ausreichenden finanziellen Mitteln und der persönlichen Power, plötzlich alles
     machen zu können, was man sich erträumt hat – hey, das ist doch super! Und dazu schon alle Projekte in der Pipeline! Ich musste
     noch nicht mal darüber nachdenken, was ich tun wollte. Nach der Sitzung bin ich nach Hause gefahren, habe meine Frau in den
     Arm genommen und wir haben ein bisschen gefeiert.«
    Groll hegt Olek nicht gegen seine ehemaligen Kollegen und Aufsichtsräte: Man habe nun einmal unterschiedliche Strategien vertreten.
     »In Kombination mit meiner Aussage, dass das sowieso auf lange Sicht nichts für mich sei, haben wir uns dann gemeinsam überlegt,
     dass eventuell jemand anders diese Frage entscheiden darf. Das finde ich legitim. Entscheidungen gewisser Tragweite – und
     da hat der Aufsichtsrat Recht – sollten von Leuten getroffen werden, die auch bereit sind, langfristig den Weg mitzugehen.«
    Etwa zwei Monate nach Oleks Rücktritt kündigt Epigenomics einen drastischen Stellenabbau an: Von den 112 Mitarbeitern am Standort
     Berlin soll knapp jeder Dritte ohne Abfindung |35| gehen. Weitere zwei Monate später, Mitte Dezember 2006, gibt Roche das Ende der Partnerschaft mit Epigenomics bekannt und
     erklärt, dass man sämtliche Verträge und Lizenzen zurückgeben werde. Grund sei die mangelnde Qualität der eingereichten Studienergebnisse.
     Die Resultate würden nicht ausreichen, um in die Entwicklungsphase einzutreten.
    »Bullshit«, kommentiert Olek heute diesen Vorwurf. »Roche Diagnostics hat intern sehr schlechtes Erwartungsmanagement betrieben.
     Die Leute, die das angefangen haben, versprachen ihrem Management Spezifikationen, die man vielleicht mal in zehn Jahren erreichen
     kann, aber nicht beim ersten Schuss – also den perfekten, nicht mehr zu überbietenden Krebstest, ohne dass jemals wieder eine
     Weiterentwicklung im Bereich der Krebsscreenings nötig gewesen wäre. Dann darf man sich hinterher nicht wundern, wenn das
     Management enttäuscht ist.« Die Führung von Epigenomics habe allerdings auch einen Fehler begangen und sich diese Erwartungen
     in die Verträge schreiben lassen. »Das, was die von uns wollten, mussten wir ja nun unseren Investoren erzählen. Das ist uns
     dann natürlich auf die Füße gefallen: Wir haben zwar Testergebnisse publiziert, die wesentlich besser sind als alles, was
     bislang gemacht wurde und auch am Markt meiner Meinung nach durchschlagenden Erfolg haben werden. Nur lagen die eben ein gutes
     Stück unter den versprochenen Werten.«
    Überhaupt sei der Roche-Ausstieg keine schlechte Sache gewesen, findet Olek. »Denn jetzt ist wieder die Freiheit da. Epigenomics
     kann sich nun den passenden Partner suchen, dem man nicht mehr irgendwas versprechen muss. Die Fakten liegen auf dem Tisch,
     und man kann ohne Träumerei den |36| Wert ermitteln und ein Produkt daraus machen.« Seinem Nachfolger habe er jedenfalls zu der neuen Lage gratuliert. »Das wäre
     sogar eine Situation gewesen, in der ich bereit gewesen wäre, weiterzumachen.«
    Dennoch: Der ehemalige CEO macht nicht den Eindruck, als bedauere er seinen Rücktritt. »Das war ein perfekter Schlusspunkt
     einer wissenschaftlichen Karriere. Ich habe einen Ausstieg gewählt, der fürs Unternehmen gut verträglich ist, aber mir noch
     das Gefühl gibt, dass ich etwas zu Ende gebracht habe. Wichtig für mich war, dass ich niemanden betrogen und nichts Falsches
     gemacht habe. Die Umsetzung des Ganzen muss ich nicht mehr mitmachen. Für mich persönlich war es die theoretisch bestmögliche
     Ausbildung, um sagen zu können: Jetzt habe ich die Erfahrung und die Mittel, um meine Träume verwirklichen zu können. Insofern
     war der Rücktritt gleichzeitig der Traumstart für Dinge, die mich inhaltlich wirklich motivieren.«
    Eins sei sein Rücktritt
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