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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten
Autoren: Campus
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nach.«
    Olek fügt die Puzzleteile zusammen. Seine Schlussfolgerung: Roche glaubt nicht mehr an das Projekt und wird bald abspringen |29| . Für Epigenomics könnte das verheerende Auswirkungen haben. »Wir waren ja sehr abhängig von Roche«, sagt Olek. »Eines meiner
     größten Probleme war, dass ich eigentlich gar keine eigene Marktstrategie hatte. Die beiden ersten großen Produkte waren an
     Roche lizenziert. Ich hatte überhaupt keinen Einfluss darauf, wann die auf den Markt gekommen wären. Nachdem die ersten klinischen
     Studien erfolgreich waren, war der geschwindigkeitslimitierende Faktor eindeutig Roche. Wann immer mich jemand gefragt hat,
     wann denn unser Produkt auf den Markt kommt, habe ich nur geantwortet: Was habe ich denn für einen Einfluss auf mein Produkt?
     Ich kann nur entwickeln und dann beten und betteln. Und managen Sie mal so eine Firma.« Scherzhaft habe er daher seine Firma
     damals als »Entwicklungsappendix« von Roche bezeichnet, als ein ausgelagertes Entwicklungslabor. »Weil wir uns nie darum gekümmert
     haben, wie man so ein Produkt vermarktet, höchstens, wenn wir den Investoren klarmachten, wie es funktionierte. Aber dass
     wir das dann selbst umsetzten, daran war nicht zu denken.«
    Aus der bloßen Ahnung heraus, dass Roche von Bord gehen will, fängt Olek damit an, das Unternehmen neu aufzustellen. »So eine
     Firma darauf vorzubereiten, dass einem der Partner abspringen könnte, heißt ja, brutal Schluss zu machen mit der Einstellung:
     Wir entwickeln mal, lehnen uns zurück und warten ab. So eine Umstellung heißt auch, dass sich die Umsatzbeteiligung radikal
     verändern wird und dass man das Produkt plötzlich selber an den Markt bringen muss.« Olek weiß, dass diese neuen Aufgaben
     teuer werden. Er beginnt, die Investoren vorzuwarnen und die entsprechenden Leute für das Marketing und die Entwicklung einzustellen.
    |30| Olek will das Unternehmen darauf vorbereiten, für diese Aufgaben notfalls selbst gewappnet zu sein. Weil er aber für diesen
     Unternehmensausbau mit nicht viel mehr als mit einigen schlechten Vorzeichen und einem unguten Bauchgefühl argumentieren kann,
     kommt er in Erklärungsnöte: »Dann sitzt man da und kommt mit einem eher pessimistischen Szenarium und erklärt den Leuten,
     dass man jetzt aber bitte leider wirklich anfangen muss, Geld auszugeben.« Viel Schwarzmalerei sei dafür nötig gewesen, sagt
     Olek heute. »Und damit habe ich mir nicht besonders viele Freunde gemacht. Der Überbringer schlechter Nachrichten ist ja nie
     sehr populär. Wohl auch, weil diese Nachrichten so ohne Substanz daher gekommen sind.«
    Sein Drängen auf einen Unternehmensumbau habe eben – wie zuvor der Entschluss zum Börsengang – dem Flucht-nachvorn-Prinzip
     gehorcht, sagt Olek. »Eine solche Strategie ist für einen Old-Economy-Aufsichtsrat dann überhaupt nicht mehr verdaubar. Aber
     die wirklich guten CEOs, auch bei ganz großen Firmen, die holen das Unternehmen aus der Krise, indem sie genau in solchen
     Situationen ein paar Milliarden investieren. Nur die
guts
, den Mumm dazu muss man haben.« Der schlechte CEO dagegen, davon ist Olek überzeugt, lagere als erste Maßnahme die meisten
     Stellen in Service-Gesellschaften aus und versuche, das Problem über die Kostenseite in den Griff zu kriegen.
    Damals, zum Jahreswechsel 2005 /2006, misstrauen Vorstand und Aufsichtsrat von Epigenomics dem Bauchgefühl von Alexander Olek.
     Es kommt zu Konflikten, zu deren genauem Verlauf sich der Unternehmensgründer nicht äußern will. Vermutlich sah sich Olek
     der Kritik ausgesetzt, er übertreibe das Risiko des Roche-Ausstiegs, und selbst wenn Roche |31| tatsächlich aussteige, dann seien Kostenreduktionen die bessere Strategie, um sich über Wasser zu halten. Immer wieder lässt
     Olek anklingen, dass er nicht an seinem Stuhl klebe. Doch irgendwie will niemand glauben, dass Olek die Expansionsstrategie
     für so notwendig hält, dass er sogar seinen Job davon abhängig machen würde. »Das Stigma eines Gründers«, nennt es Olek: für
     jemanden gehalten zu werden, »der nicht an die Kosten geht, weil er sentimental ist; der emotional an seinem Baby hängt und
     nicht wirklich rational entscheiden kann«. Gründer würden zwar respektiert und teilweise auch beneidet, man begegne ihnen
     aber oft auch mit Misstrauen: »Nach dem Motto: Mit dem muss ja irgendwas faul sein. Es kann ja nicht sein, dass der alles
     kann.« Da sei es eben am einfachsten zu postulieren,
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