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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten
Autoren: Campus
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dass er gefühlsduselig sei. »Es macht einem das Leben unheimlich schwer,
     als Visionär zu gelten«, findet Olek und zitiert einen Spruch von Altkanzler Helmut Schmidt: »Wer Visionen hat, sollte zum
     Arzt gehen.«
    Nach und nach zieht er sich aus dem operativen und strategischen Geschäft zurück. Seine Tätigkeit im Unternehmen beschreibt
     er nun nur noch als »corporate courage« oder »leadership management«, als eine Art unternehmerischer Mutmacher nach innen
     und außen. Für ihn wird immer deutlicher, dass er nicht mehr lange das Unternehmen steuern will. »Irgendwann war einfach beiden
     Seiten klar: Okay, das hat jetzt keinen Sinn mehr. Ich hätte aber nicht gewusst, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist. Ich wäre
     aus Loyalität nicht einfach ausgestiegen und hätte nicht einfach meine Kündigung hingeschmissen. Ich wollte, dass der Aufsichtsrat
     und meine Kollegen davon voll überzeugt sind und den Schritt auch mitgehen wollen.«
    |32| Mit seiner Familie hat Olek da bereits besprochen, dass seine Zeit bei Epigenomics abläuft. Oleks Angst vor der Zeit nach
     dem Ausstieg hält sich in Grenzen: Er hat bereits ein neues Projekt. Eine neuartige Privatschule will der dreifache Familienvater
     gründen. Seine eigene Schulzeit hat der promovierte Molekularbiologe in schlechter Erinnerung: sitzengeblieben, Versetzung
     mehrmals gefährdet, Abitur knapp geschafft. Er sei ein hyperaktives Kind gewesen, dem niemand geholfen habe, erzählt er. Nur
     durch die Hilfe seines Direktors habe er seinen Abschluss geschafft. So etwas soll seinen eigenen Kindern später einmal nicht
     passieren. Für seine Schule sollen die Eltern einen Beitrag zahlen, der nach ihrem Einkommen gestaffelt ist, dafür werden
     die Schüler in kleinen Klassen von ein oder zwei Lehrern ganztags unterrichtet, und zwar auf Deutsch und Englisch. Das Ganze
     soll in die Form einer AG gegossen werden, an der sich Investoren beteiligen können. »Mit guter Bildung ist Geld zu verdienen«,
     ist sich Olek sicher. Er macht, was er am besten kann: Er sucht sich ein Management und mehrere Investoren zusammen, die er
     zuvor von seiner Idee überzeugt hat. Er selbst beschränkt sich auf einen Posten im Aufsichtsrat. Die erste Phorms-Schule eröffnet
     am 16. August 2006 in einem renovierten Fabrikgebäude in Berlin-Wedding.
    Am 17. August 2006 findet die entscheidende Epigenomics-Aufsichtsratssitzung statt. Olek erinnert sich: » In jede dieser Sitzungen
     bin ich mit der realistischen Chance reingegangen, dass ich nachher nicht mehr meinen Job habe.« Er habe schon vorher immer
     klar gesagt: »Leute, ihr habt jetzt jemanden, der eine ganz klare Perspektive davon hat, was er für sich und für die Firma
     will. Möglicherweise passt diese Perspektive nicht |33| mehr mit euren Vorstellungen zusammen. Möglicherweise solltet ihr, bei allem, was ihr macht, darüber nachdenken, ob ihr diesen
     Schritt mit mir oder möglicherweise mit einem anderen machen wollt.« Von dem Verlauf dieser Sitzung darf und will Olek nichts
     erzählen. Doch das Ergebnis wird als Adhoc-Meldung am 18. August 2006 bekannt gegeben:
    »Der Aufsichtsrat der Epigenomics AG und der Vorstandsvorsitzende und Gründer der Gesellschaft, Dr. Alexander Olek, haben
     sich in gegenseitigem Einvernehmen darauf verständigt, den Dienstvertrag von Herrn Dr. Olek und sein Amt als Vorstandsvorsitzender
     mit Ablauf des 17. August 2006 zu beenden. Herr Dr. Olek wird der Gesellschaft als Berater erhalten bleiben.« In der Mitteilung
     wird auch Olek mit milden Worten zitiert: »Seit dem Börsengang habe ich daran gearbeitet, aus dem reinen Forschungsunternehmen
     Epigenomics ein Unternehmen zu machen, welches eigene Produkte entwickelt und selber verkauft. Das Management und der Aufsichtsrat
     unterstützen diese Strategie, die eine konzentrierte Durchführung erfordert. Als Entrepreneur bin ich zu der Überzeugung gekommen,
     dass es Aufgaben gibt, die von einem erfahrenen Manager verlässlicher durchgeführt werden können – und die erfolgreiche Vermarktung
     unserer Produkte scheint mir eine solche Aufgabe zu sein.« Es folgt eine Danksagung des Aufsichtsrats: Man sei davon »beeindruckt,
     dass der Vorstandsvorsitzende sogar so weit geht, uns nahezulegen, die Verantwortung in andere Hände weiterzureichen«.
    Auch wenn es ein Rückzug ist: Olek hat die Fäden in der Hand behalten, getreu seinem »Flucht-nach-vorne«-Motto. Die Aufsichtsräte
     seien trotz aller Vorwarnungen überrascht
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