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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence
Autoren: Tom Burger
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ihm
gegenüber immer klar und konstruktiv gewesen. Ein messerscharf analysierender
Zyniker einerseits, ein absolut verlässlicher Partner andererseits. Vielleicht
konnte Engler das Quantum Unruhe in ihm besänftigen. Dann müsste er nur noch
die Marktfrau finden, sie und Valerie miteinander bekannt machen und seine
Aufgabe wäre erledigt. Dreitausend Autobahnkilometer und das Elend, bei
widerwärtiger Hitze in der Provence zu sein. Alles in allem gab es Schlimmeres.
     
    „Waren Sie an dem Morgen, als Monsieur Baumann starb,
auch im Haus tätig?“, fragte er Sophie.
    „Nein. Ich bin immer dienstags, mittwochs und freitags am
Vormittag hier, und wenn Gäste am Wochenende zum Essen kommen, auch schon mal
am Samstag. Alain hat mich an dem Vormittag angerufen.“ Sie holte ein
Taschentuch hervor, schnäuzte sich und trocknete die feucht gewordenen Augen.
„Es ist so schrecklich!“, fügte sie hinzu. „Dass Monsieur Baumann so etwas getan
hat.“
    „Was getan?“, fragte Anselm.
    „Das mit der anderen Frau. Valerie … ich meine, Madame
Baumann ist so schön, so jung und begehrenswert. Dass er da was mit so einem
Flittchen anfängt!“, sie schüttelte energisch den Kopf. „Aber ihn hat ja gleich
die gerechte Strafe getroffen!“ Jetzt nickte sie, sich selbst in ihrem Urteil
zustimmend, dass Ehebruch nun einmal eine Todsünde ist, die automatisch und
umgehend eine göttliche und vor allem drakonische Bestrafung nach sich zieht.
    Anselm beobachtete sie und überlegte, dass Ed nach
Sophies Moralverständnis hätte eigentlich schon mehrfach sterben müssen, und
dies bereits vor Jahren. Allerdings kam ihm auch der Gedanke, dass Sophie mehr
Empörung zeigte, als sie eigentlich empfand. „Und dann, was haben Sie dann gemacht,
als Sie hier angekommen sind?“
    „Alain hatte einen Plan. Er hatte auch schon alles
vorbereitet. Wir haben kurz darüber gesprochen, dass wir Valerie“ – dieses Mal
korrigierte sie sich nicht – „diese Entwürdigung ersparen wollten. Gemeinsam
haben wir Monsieur Baumann dann zum Pool getragen und hineingeworfen. Der war
vielleicht schwer. Gut, dass der Alain so stark ist, und das bei seiner
schmächtigen Figur.“
    Anselm sah sie aufmerksam an. Sophie hatte tatsächlich
Entwürdigung gesagt. Auf diesen Begriff wäre er erst nach längerer Überlegung
gekommen und dazu hätte es eines entsprechenden Kontextes bedurft, in dem
dieser Begriff hätte reifen können. Natürlich ist es entwürdigend für eine
Frau, wenn der Partner sie betrügt. Und dann noch im eigenen Haus. Aber konnte
das der Gedankengang der Haushälterin und des Gärtners sein, wenn sie den
Hausherrn tot auffinden? „Und dann haben Sie alles gründlich geputzt und
aufgeräumt?“
    Sophie nickte stumm.
    „Da gab es doch bestimmt einiges, was auf die Frau
schließen ließ? Ich meine, abgesehen von den Make-up-Spuren, den blonden
Haaren, dem Parfumduft im Raum? Vermutlich doch Zigarettenkippen, benutzte
Gläser, eine vergessene Sonnenbrille oder …“, er zögerte leicht, „eine
Kondom-Packung? Oder eine Pillenschachtel?“
    „Mehrere Gläser standen auf dem Boden. Und es gab diese
beiden benutzten Kondome. Die hat aber der Alain entsorgt. Da habe ich mich
geweigert.“ Sie schüttelte sich angewidert.
    „Und die Kleidung von Monsieur Baumann? Er war doch ein
sehr ordentlicher Mann und hat sie gewiss sorgfältig abgelegt?“
    „Wir haben nur seine Badeshorts und die Espadrilles
gefunden. Und die lagen neben einer der Liegen auf der Terrasse.“ Sophie nippte
den letzten Tropfen Espresso aus der Tasse. „Jetzt muss ich aber wieder
arbeiten, Monsieur Anselm.“ Sie lächelte unverbindlich.
     
    Sollte er weiterfragen? Details herauskitzeln? Ihr Fallen
stellen und sie in Widersprüche verwickeln? Ganz der harte Ermittler sein? Er
wusste, er würde nicht überzeugen. Er ließ den Dingen gern ihren Lauf;
beobachtete Gesten, Mimik, Körpersprache; stellte Fragen, von denen die
Befragten meist nicht einmal realisierten, dass es sich um solche handelte, und
hörte aufmerksamer zu, als es den Antwortenden bewusst war. Er betrachtete sich
selbst als unaufgeregt Suchenden. Er sortierte Fakten, und dies bevorzugt
entspannt in der Sonne liegend, und er misstraute jeder Form von Aktionismus.
Wenn Valerie in ihm den Bluthund erwartete, der erbarmungslos der von ihr
skizzierten Fährte folgte, würde er sie enttäuschen müssen.
     
    Unbeschadet seiner Vorbehalte begann er dennoch die Suche
nach der Frau, die Valerie fotografiert
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