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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence
Autoren: Tom Burger
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nicht beim Beischlaf an Herzversagen gestorben, sondern beim
Sprung in seinen Pool. Was für ein bizarrer Weg des Schicksals.
    „Und was passiert jetzt?“, fragte die Frau. Die drei
Männer sahen sich fragend an. Schließlich zuckte der Arzt mit den Schultern und
begrenzte sich auf eine vage Aussage. „Wenn Ihr Mann nicht hier in der Provence
beigesetzt werden soll, sondern in Deutschland, dann wird es wohl noch eine
behördliche Leichenbeschau geben.“ Er wischte sich die Stirn trocken und
schloss seinen Bericht. „Mein Beileid“, murmelte er noch.
     

Dienstag, 17. August
Anselm
    Anselms Augen brannten. Ein Tribut an die nächtliche
Fahrt, die ihn bisher von Hamburg nach Lyon gebracht hatte. Er hielt
unmittelbar neben den Erdöl-Tanks von Elf Aquitaine auf einem Parkplatz, drehte
die Lehne zurück und sank schlagartig in einen Dämmerzustand. Um ihn herum
lärmten vorbeifahrende Fahrzeuge auf der Autobahn, parkende Lastwagen mit
laufenden Motoren, Menschen, die wie er die nächtliche Fahrt unterbrochen
hatten und an diesem tristen Haltepunkt keine Mühen darauf verschwendeten,
ruhig zu sein.
    Worauf hatte er sich eingelassen? Valerie Baumanns Anruf
hatte ihn am späten Nachmittag erreicht. Sie hatte sehr sachlich geschildert,
dass Ed gestorben sei und sie seine Hilfe bräuchte. Ed war sein Verleger
gewesen, aber rechtfertigte das ihren Wunsch nach Hilfe? Hilfe wobei? Valerie
und er kannten sich kaum, sie hatten sich nur wenige Male gesehen. Trotzdem war
er sofort aufgebrochen und hielt nun, wenige Stunden vor dem Ziel, an diesem
desolaten Ort. Der Parkplatz bot kaum Ruhe, an Schlaf war nicht zu denken. Er
beschloss, weiterzufahren.
    Hinter Orange bog er von der Autobahn ab. Die
Hitze hatte im Laufe des Morgens beständig zugenommen. Seine Hände klebten am
Lenkrad, Schweiß rann ihm in die Augen. Mit dieser Temperatur hatte er nicht
gerechnet. Sein räumliches Vorstellungsvermögen schwand. Ein kegelförmiger Berg
tauchte unvermittelt auf, der eine Landschaft prägte, die in Agonie versunken
schien.
    Er erreichte Baumanns Haus am späten Vormittag. Auf den
letzten Kilometern hatte er zunächst sein Ziel verfehlt, war in zahllosen
Kurven durch eine imponierende Karstlandschaft talwärts gefahren, bis er
schließlich seinen Irrtum bemerkte. Er fuhr zurück und fand eine abzweigende
schmale Asphaltstraße, die durch Garigue in ein sanfter abfallendes Tal
führte. Krüppeleichen, kaum höher als zwei Meter, Thymian, Rosmarin und
Wacholder bestimmten das Bild, enge Kurven schmiegten sich an immer wieder hervortretende
scharfkantige, von Flechten und Moosen überzogene Kalkfelsen.
    Die Zufahrt zu Baumanns Haus war nur schwer auszumachen.
Dichter Bewuchs entlang der Straße schützte vor Blicken auf das Grundstück,
lediglich die Schilder mit der Aufschrift Propriété privée ,
Privateigentum, die in wenigen Metern Abstand an einem Drahtzaun angebracht
waren, der durch das Buschwerk überwuchert wurde, ließen erahnen, dass der
schmale Kiesweg durch das Dickicht zu einem Haus führte. Er passierte ein Tor
mit Gegensprechanlage und Videokamera. Die schwarzen Blechflügel des Tors waren
an massiven Natursteinsäulen angebracht. Ein Schild informierte darüber, dass
das Areal von einer Sicherheitsfirma kontrolliert wurde. Vor ihm lag ein großes
provenzalisches Anwesen, eine Bastide aus ockerfarbenem Stein,
zweigeschossig, mit wuchtigen steinernen Fenstersimsen und Zargen, die von hellgrauen
Fensterläden gesäumt wurden. Gekrönt wurde das Anwesen durch eine imponierende
Dachfläche aus provenzalischen Rundpfannen in leuchtender farbiger Vielfalt,
die zwischen Kadmiumgelb und Zinnoberrot changierten. Trotz der strengen
Architektur wirkte das Gebäude durch die warmen Töne des Natursteins freundlich
und einladend.
     
    Valerie Baumann erwartete ihn. Sie umarmten sich. Es war
mehr ein Reflex. Der unwillkürliche Versuch, Trost zu spenden oder Trost zu
suchen. Er hatte keine Erfahrungen darin, Trauernden zu begegnen. Er war sich
in diesem Moment nicht einmal sicher, ob Valerie überhaupt trauerte. „Ich zeige
dir dein Zimmer. Ich hoffe, dir gefällt es in Belle Lumière .“ Sie wirkte
geschäftsmäßig, kühl, distanziert. „Du wirst dich ausruhen wollen. Willst du
etwas essen, etwas trinken?“
    „Eine Kleinigkeit zu essen wäre gut“, erwiderte er, „und
dann muss ich ein wenig schlafen, ich kann mich kaum mehr auf den Beinen
halten.“
    Als er am späten Nachmittag erwachte, war das grelle
Tageslicht einer
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