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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence
Autoren: Tom Burger
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vorherigen Besitzern und war selbst erst seit Anfang zweitausend für
Valerie und Ed tätig. Davor hatte es mehrere verschiedene Haushaltshilfen
gegeben, bis Ed den ständigen Wechsel leid gewesen war. Er hatte ihr einen
festen Arbeitsvertrag, mit Sozialversicherung, Krankengeld und bezahltem Urlaub
angeboten und sie hatte dieses Angebot nur zu gerne angenommen und sorgte sich
jetzt, nach seinem Tod, um ihre Stellung.
    „Wie sind Sie an den Job gekommen?“, fragte Anselm.
    „Der Metzger im Ort hat mich empfohlen. Der ist mein
Schwager.“
    Anselm bat sie, ihm noch einen Espresso zu machen.
„Machen Sie sich doch auch einen“, sagte er und schob den Korb mit den
Croissants zu ihrer Seite des Tisches, an den sie sich im Laufe des Gesprächs
gesetzt hatten. „Und nehmen Sie sich doch ein Croissant! Die sind ausgesprochen
köstlich.“
    Sophie klopfte auf ihre Hüfte und deutete dabei mit dem
Kinn in Richtung der Croissants. „Zu viel Fett. Das setzt sich alles an meinen
Hüften ab. Sehen Sie Monsieur Anselm, da drängen schon sehr viele Croissants
nach außen.“ Jetzt lächelte sie kokett. „Aber einen Kaffee trinke ich gerne mit
Ihnen.“
    Anselm sah ihr dabei zu, wie sie geübt die
Espressomaschine bediente. Eine große Cimbali . Sie
servierte ihm eine frische Tasse, die, wie bereits zuvor, mit einer kleinen
Papierunterlage auf der Untertasse versehen war. Sichtlich erfreut über den
Verlauf des Gesprächs setzte sie sich und sah Anselm neugierig an. „Sie sind
ein alter Freund des verstorben Monsieur Ed, nicht wahr. Und einer seiner
Autoren, ein Kochbuchautor, sagte Madame Valerie. Es ist wirklich traurig, dass
wir uns unter diesen Umständen kennenlernen. Dabei hätten wir so viel Vergnügen
beim gemeinsamen Kochen haben können und sie hätten dann alle zusammen
wunderbar speisen können.“ Sie seufzte.
    Kochen, dachte Anselm, das hätte in diesem Haus
tatsächlich eine vergnügliche Beschäftigung sein können. In einer Küche von
herrschaftlichen Ausmaßen mit einem monströs großen La Cornue- Herd im
Zentrum und mehr Kochutensilien, als er sie in seiner eigenen Profiküche besaß.
Die Umstände hätten andere sein müssen – vielleicht auch eine kühlere
Jahreszeit, und natürlich ein lebender Ed und eine entspannte Valerie;
Müßiggang statt Schnüffelei, die ihn ermüden würde, südliche Heiterkeit statt
Misstrauen und Tod.
    Aber die Umstände waren nun einmal nicht erheiternd. Sein
Verleger war einem libidinösen Schub erlegen und die Witwe des Verblichenen
bevorzugte unter allen denkbaren Reaktionen eine, die ihn dazu nötigte, in
dessen Intimleben zu stöbern, dessen nicht vermuteten Bekanntschaften
nachzuforschen und die bizarre Welt der Baumanns mit Pinzette, Skalpell und
Vergrößerungsglas auf dem Seziertisch zu zerlegen. Eigentlich grenzte das ans
Widerliche. Aber irgendwo in seinem Bauch spürte er ein vages Gefühl von
Unruhe, das nicht mit den unappetitlichen Details einer dumm gelaufenen
Fickgeschichte zu erklären war. Ed hatte in den vergangenen Jahren seine
gesundheitliche Disposition hinlänglich herausgefordert, um deutlich jüngere
Frauen zu beeindrucken, ohne dass er dabei Schaden genommen hatte. Es schien,
dass er recht gut mit der Belastung hatte leben können. An diesem finalen
Lustgewinn haftete ein wenig mehr als der Hauch des Unstatthaften. Es gab da in
der Unschärfe des von Valerie beschriebenen Sachverhaltes etwas, was kratzte;
das kaum wahrnehmbar von dem Eindruck ablenkte, den er in der kurzen Zeit seit
ihrem Anruf in Hamburg gewonnen hatte. Etwas, von dem er wusste, dass es ihn
zunehmend beunruhigen würde. Dem er würde nachgehen müssen, wenn die Unruhe
nicht beständig werden sollte. Selbst, wenn es sich als Bagatelle, als Irrtum,
als Überinterpretation eines Furzes herausstellen sollte.
    Er musste mit Thomas Engler telefonieren und Klarheit darüber
gewinnen, was in Köln, was im Verlag bekannt war oder kolportiert wurde.
Engler, der alle Details aus Eds beruflichem Alltag kannte, der die Intrigen,
die Gerüchte, die Halbwahrheiten und die beobachtete Faktenlage beurteilen und
bewerten konnte, der gewiss mehr über Ed wusste, als es Valerie tat. Engler,
der als Eds Berater maßgeblich seinen persönlichen Erfolg als Kochbuchautor
geprägt hatte und mit dem ihn seit vielen Jahren eine zumindest vertrauensvolle
Komplizenschaft verband. Richtige Freunde waren sie in diesen Jahren nicht
geworden, da hatte Ed ihm tatsächlich näher gestanden, aber Engler war
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