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Großvater 02 - und die Schmuggler

Großvater 02 - und die Schmuggler

Titel: Großvater 02 - und die Schmuggler
Autoren: Per Olov Enquist
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kommt, brauchst du nur Bericht zu erstatten.«
    »Den Horizont?«
    »Wenn der Feind angreift. Am Horizont.«
    »Hör auf, Marcus!«, sagte Großvater.
    Die Nebelschwaden über dem Wasser hatten sich verzogen, und man konnte weit nach Westen blicken, weit nach Norwegen hinein. Alle wussten, dass etwas nicht war, wie es sein sollte; es lag etwas in der Luft, aber keiner wusste genau, was es war. Großvaters Blick fiel plötzlich auf das Buch, das Pelle in der Schnauze getragen hatte, als er aus dem Zelt kam, und das sie zunächst für ein ganz gewöhnliches Buch gehalten hatten. Jetzt griff er danach. Einen kurzen Moment stand er wie versteinert da und sah auf das Buch in seiner Hand, dann öffnete er es vorsichtig.
    »Was zum Teufel …«, sagte er fast flüsternd. »Was zum Teufel ist das hier?«
    Ein Fluch!
    Gabriel und Marcus wussten beide, dass Großvater nicht fluchen durfte, denn seine Mutter hatte es ihm verboten, als er klein war. Marcus hatte als Einziger und als besonderen Gunstbeweis den wahren Bericht über Großvater als Kind und das Fluchen anhören dürfen. Darüber, wie sündig das Fluchen war. Wenn Großvater es tat, würde er es nicht schaffen, in den Himmel zu kommen, wenn er starb. Wenn er fluchte. Und starb. Dann würde er das mit dem Himmel nicht schaffen.
    Solche Sachen erzählte er den Enkelkindern in der Andachtsstunde – oder besser Märchenstunde – am Abend, wenn er wirklich wahre Berichte darüber ablieferte, wie entsetzlich bedrückend es in seiner Kindheit gewesen war. Zum Beispiel tischte er die Geschichte auf, wie sein Vater starb und zum Himmel hinauf verdampfte , als er selbst erst sechs Monate alt war. Genau wie Mischa es getan hatte, als sie die Spritze bekam. Und jetzt saß sein Papa an der rechten Seite Gottes und fand es vielleicht ein bisschen langweilig, denn da oben im Himmel durfte man sonntags nicht Fußball spielen.
    Das durfte Großvater übrigens auch nicht, als er klein war. Also obwohl er lebte. Und seine anderen Kumpel – er hatte übrigens gar keine Kumpel – durften!
    Wenn er erzählte, wie furchtbar leid es einem um ihn tun konnte, als er klein war, keine Freunde und nur Rindenbrot kauen und nicht Fußball spielen dürfen , dann fingen Moa und Malva aus Mitleid an zu weinen, aber die Jungs nahmen es nicht so ernst. Und wenn man nur kräftig applaudierte, wenn er fertig erzählt hatte von all dem Traurigen, dann wurde er gleich wieder froh und munter.
    Aber jetzt hatte er vorsichtig an dem weißen Zeug geschmeckt, das in dem Sack zurückgeblieben war, und geflucht: Was zum Teufel …? Das hatte er gesagt und war trotzdem nicht angemeckert worden. Und Pelle, der eine so empfindliche Nase hatte, dass er einen Furz auf sechshundertvierzig Meter Entfernung riechen konnte, wenn nicht zu starker Gegenwind war – Pelle stand stocksteif, und sein Fell sträubte sich. Alles war so komisch, dass Marcus und Gabriel nichts sagten, sondern nur auf das Buch in Großvaters Hand starrten.
    Er drehte es vorsichtig um, und ein Stück Papier fiel heraus. Er nahm es, stand ein paar Sekunden mit gefurchter Stirn da und starrte darauf. Es schien eine Karte zu sein. Dann ließ er das Papier fallen und sah wieder in das Buch.
    »Was ist?«, fragte Marcus. »Was ist das für ein Buch?«
    2. Gabriel hatte sich jetzt in den Bug des Bootes gesetzt. Es sah aus, als wollte er an Land springen und sich zu den anderen gesellen. Pelle begann auf einmal zu winseln und verschwand wieder im Zelt.
    »Dieses Buch hier«, sagte Großvater leise und immer noch ganz verblüfft, »ist in Vilnius in Litauen gedruckt und heißt … Triju urvu kulnas . So heißt es tatsächlich. Und wenn ich auch nicht viel Litauisch lesen kann, so weiß ich zufällig, was das bedeutet.«
    »Was denn?«, fragte Marcus beinahe ungeduldig. »Und warum liegt es da?«
    »Das bedeutet Der Dreihöhlenberg . Auf Litauisch. Es ist das Buch, das von unserer Expedition auf den Berg vor drei Jahren handelt, von der
     Wolfsmutter und dem Bären und alldem. Und es wurde in eine Menge Sprachen übersetzt, unter anderem ins Litauische * . Und wenn du guckst, hier … Hier ist eine Unterschrift, das Buch ist signiert, von mir! Und ich erinnere mich, dass ich im März 2003 in Vilnius war, aber ich kann mich … ich kann mich überhaupt nicht erinnern …«
    »Signiert« , sagte Marcus, »das bedeutet, dass du …«
    »Dass ich meinen Namen hineingeschrieben habe.«
    »Hast du es jemandem geschenkt?«
    »Nein. Wahrscheinlich hat jemand das
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