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Großvater 02 - und die Schmuggler

Großvater 02 - und die Schmuggler

Titel: Großvater 02 - und die Schmuggler
Autoren: Per Olov Enquist
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Butterbrotpapier gezeichnet, in der Küche der Hütte, in der er und seine Mutter ein kärgliches Leben gelebt hatten , wie er sich ausdrückte, wenn er bei der abendlichen Märchenstunde von den Enkelkindern Mitgefühl und anhaltenden Applaus einheimsen wollte.
    Aber Marcus hatte herausgefunden, wie es in Wirklichkeit gewesen war. Und so ärmlich war es keineswegs gewesen. Sie hatten jeden Tag zu essen gehabt, aber manche taten eben alles dafür, Applaus einzuheimsen, wie Cecilia einmal nach einer Märchenstunde sagte, als er erzählt hatte, wie er und seine arme Mutter Baumrinde essen mussten, um nicht zu verhungern. Das war, bevor sie keine Zeit mehr für Großvaters abendliche Märchen hatte, wie er ein wenig bitter anmerkte.
    Großvater konnte also Orientierungskarten zeichnen.
    Das sollte eine gewisse Rolle spielen bei dem, was eine Woche nach der Wiedervereinigung der Kinder in dem Haus unter dem gewaltigen Berg mit den drei Höhlen passierte; dem Haus, das Söderås hieß.
    Und das drei Jahre zuvor das Basislager eins bei der Besteigung des Berges gewesen war.
    5. Das Haus lag am Fuß des Berges.
    Unterhalb des Hauses lag ein See. Er lag ungefähr zweihundert Meter vom nördlichen Hausgiebel entfernt. Der See hieß Vällen. Er war ziemlich schmal, nur hundert Meter breit, aber sehr lang, vielleicht zwölf Kilometer, und er reichte bis nach Norwegen hinein.
    Im Sommer kamen oft Kanufahrer, die ihre Tour in einer norwegischen Stadt begonnen hatten. Sie waren dem Seensystem gefolgt, das aus dem Fluss, Wasserfällen und Seen bestand, und kamen also von Westen in den Vällen. Dann fuhren sie weiter, nachdem sie die Kanus um die Stromschnellen, die den Vällen abschlossen, herumgetragen hatten, und gelangten nach Arvika auf der schwedischen Seite.
    Das bedeutete, dass die Touristen die Grenze zwischen Norwegen und Schweden passierten, ohne durch eine Grenzkontrolle zu müssen.
    Im Zweiten Weltkrieg waren die Wälder und das Seensystem um Helgeboda und den See Vällen dazu benutzt worden, Flüchtlinge aus dem besetzten Norwegen nach Schweden hinüberzuschmuggeln und so zu retten; das war vor siebzig Jahren gewesen.
    Aber der See lag noch immer da, in diesem Sommer 2006. Und das sollte sich als bedeutungsvoll erweisen.
    Am Morgen des 21. Juni 2006 lag ein leichter Nebel über dem See. In dem Logbuch, das jeden Tag geführt wurde und für das Gunilla als Chefsekretärin verantwortlich war, steht verzeichnet: »10 Uhr 45, P.O. mit dem Boot und Marcus und Gabriel hinaus. Pelle assistiert vom Strand.«
    Es war aber nicht so sonderbar, wie es sich anhört.
    Das Boot war ein Ruderboot aus Kunststoff, es war leicht zu rudern, hatte aber nicht für alle Platz, und Großvater hatte bestimmt, dass zwei auf jeden Fall mitkommen konnten, allen voran Gabriel, der in seinem ganzen Leben noch nicht geangelt hatte und deshalb ein bisschen geknickt war, denn die meisten in seiner Klasse konnten angeln. Jetzt würde er zum ersten Mal die Angel auswerfen; bisher hatte er nur Trockenübungen gemacht, auf dem Rasen. Die Aufzeichnung »Pelle assistiert vom Strand« bedeutete nur, dass Pelle – jetzt bald ein Jahr alt – immer noch unglaubliche Angst vor Wasser hatte und sich strikt weigerte, auch nur eine Pfote in das Ruderboot zu setzen. Das sollte sich in ein paar Stunden ändern, aber davon wusste noch keiner etwas.
    Pelle lief am Ufer entlang und folgte unruhig den drei Freunden draußen im Ruderboot. Ihm zuliebe ruderten sie ziemlich dicht am Ufer.
    Sie ruderten nach Westen. Pelle huschte wie ein schwarzgrauer Schatten durch den dichten Uferwald. Er ließ keinen Laut hören. Er bewachte sie nur.
    »Pelle hält das Rudel zusammen«, sagte Marcus.
    »Dann sind wir sicher«, sagte Großvater.
    Genau da geschah etwas. Und danach sollte in diesem Sommer nichts mehr richtig so sein, wie es gewesen war.
    Es war ungefähr eine halbe Stunde vergangen – aber es gab keine Eintragung darüber im Logbuch, weil es zu Hause in Söderås bei den Frauen lag –, eine halbe Stunde war also vergangen, und man war langsam vielleicht einen Kilometer am Ufer entlanggerudert, als der bis dahin ganz und gar lautlose Pelle plötzlich zu bellen begann.
    Er war bisher still durch den dichten Uferwald gelaufen und gesprungen, vor allem Krüppelkiefern und Birken wuchsen da, aber jetzt begann er plötzlich zu bellen. Es war das kompromisslose Warnungsbellen , das er hören ließ, wenn sich ein Fremder unangemeldet dem Haus näherte: vielleicht ein Feind,
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