Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Großvater 02 - und die Schmuggler

Großvater 02 - und die Schmuggler

Titel: Großvater 02 - und die Schmuggler
Autoren: Per Olov Enquist
Vom Netzwerk:
wollte? Aber ein Zelt hatte doch wohl keinen eigenen Willen? Also hatte irgendetwas oder irgendjemand sich verstecken wollen.
    War es das, was Pelle gespürt hatte?
    Sie wussten, dass Pelle nie Angst hatte. Vor nichts. Aber er war auch nie aggressiv. Er biss nie andere Hunde, und er ließ die Kinder sich mit ihm balgen. Er fühlte sich verantwortlich für die Kinder, Pelle war dazu erzogen, ein Rudel oder eine Herde zusammenzuhalten. Aber jetzt war er beunruhigt. Er hatte etwas verstanden, wovon die anderen noch nichts wussten.
    »Pelle, du musst die Hundestrahlung einschalten, wenn etwas ist«, sagte Marcus nervös.
    Pelle drehte den Kopf und sah Marcus missbilligend an, als gefiele es ihm nicht, belehrt zu werden. Oder zurechtgewiesen. Oder auf etwas gestoßen zu werden, was er schon gut wusste. Oder was das Schlimmste wäre: dass man sich einen Spaß mit ihm erlaubte. Man soll mit einem Hund nie Scherze treiben. Das ist bei Hunden wie bei Kindern, hatte Großvater erklärt. Pelle, der wusste, was Strahlung war, aber nicht fand, dass man mit so ernsten Dingen Scherze treiben sollte, ließ den Gegenstand, den er in der Schnauze getragen hatte, fallen, hörte auf zu knurren und folgte Großvater ins Zelt.
    Einer oder mehrere hatten in dem Zelt geschlafen.
    Auf jeden Fall lag an der einen Längsseite eine zerdrückte Decke. In einer Ecke lagen ein paar ziemlich schmutzige Pappteller und fünf leere Bierflaschen von einer Sorte, die in Schweden nicht verkauft wurde. Einen Spirituskocher gab es. Der Boden war mit Zeitungspapier übersät, aber es lag auch ein weißer Stoffsack da, nein, drei Säcke. Sie schienen Essen enthalten zu haben, oder Kleidung, aber was von beidem, war nicht auszumachen. Großvater hob einen der Säcke auf, nein, er war leer. Er roch daran und saß anschließend eine Weile ganz still auf dem Boden des Zeltes und starrte geradeaus vor sich hin.
    »Wo sind sie, Großvater?«
    Marcus war mit Pelle hereingekommen.
    »Ich weiß nicht.«
    »Was haben sie hier gemacht?«
    Großvater blickte sich aufmerksam im Zelt um. Eine leere Lederaktentasche stand an die Zeltwand gelehnt. An ihrem Griff war ein Zettel befestigt, der von einem Flugplatz war, und darauf stand Gardermoen .
    »Komisch«, sagte Großvater. »Der Flugplatz von Oslo. Warum haben sie die kleine Tasche nicht als Handgepäck mitgenommen?«
    Pelle knurrte auf einmal. Das Knurren schien etwas zu bedeuten.
    »Hör auf, Pelle!«, sagte Großvater. »Entweder hundestrahlst du deutlich oder gar nicht. Wenn du nur ganz allgemein GEFAHR strahlst, werden wir nur nervös. Denk an die Kleinen! Gabriel zum Beispiel!«
    Das Letzte sagte er mit ziemlich leiser Stimme, denn Gabriel, der sieben war, mochte es nicht, klein genannt zu werden. Die Kleinen!
    Sie sahen die zerrissenen Zeitungen in einer Ecke und das Datum darauf: zwei Tage alt. Großvater wendete einen der leeren Stoffsäcke von innen nach außen. Ganz unten im Saum war etwas Weißes; er befeuchtete den Finger, strich damit am Saum entlang, steckte den Finger in den Mund, schmeckte und erstarrte.
    »Was ist das?«, fragte Marcus, der halb drinnen, halb draußen in der Zeltöffnung saß.
    »Zucker ist es jedenfalls nicht«, sagte Großvater wie zu sich selbst. »Ich glaube, es ist ein sehr kleines Paket, das kaputt gegangen ist. Pelle, was ist das?«
    Pelle kam heran und schnüffelte lange. Dann geschah etwas Eigenartiges: Er zog sich, beinahe fauchend, zurück. Schritt für Schritt.
    Und er wedelte nicht mit dem Schwanz.
    Es folgte ein Schweigen wie nach einem heftigen Gewitter.
    »Ich fürchte … wir bekommen Probleme«, sagte Großvater mit angestrengter Stimme. »Große Probleme.«
    »Was ist das denn?«, fragte Marcus noch einmal, aber Großvater antwortete nicht. Er sagte nur mit besorgter Stimme: »Wo ist Gabriel?«
    »Er sitzt im Boot«, sagte Marcus.
    Großvater drehte sich um und steckte den Kopf aus der Zeltöffnung. Er sah, dass Gabriel auf der Ruderbank saß, die Ruder eingezogen hatte und ein bisschen angespannt aussah.
    »Habt ihr eine Leiche gefunden?«, fragte Gabriel mit dünner Stimme.
    »Noch nicht«, sagte Marcus ganz cool, aber auch seine Stimme zitterte ein wenig.
    »Was soll ich tun?«, fragte Gabriel.
    Marcus kam jetzt auch heraus. Er stellte sich ein wenig breitbeinig hin, als wollte er demonstrieren: Mit uns ist nicht gut Kirschen essen! Aber er sah auch, dass Gabriel ein bisschen verkrampft aussah, deshalb sagte er nur: »Behalte den Horizont im Auge! Wenn jemand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher