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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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zwischen der Familie und dem Maler, der so kuehn war, den Vater Vervelle geistvoll zu finden. Die Vervelles nahmen mit ihren Schmeichelworten das Herz des Kuenstlers im Sturm. Er schenkte Virginie eine seiner Skizzen und der Mutter eine Studie. "Umsonst?" fragten sie. Pierre Grassou musste lachen. "Sie duerfen Ihre Bilder nicht so wegschenken," sagte Vervelle, "das ist doch so gut wie bares Geld."—
    Bei der dritten Sitzung erzaehlte Papa Vervelle von einer schoenen
    Gemaeldegalerie, die er sich in seinem Landhaus in Ville d'Avray zugelegt habe. Sie enthalte Werke von Rubens, Gerard Dou, Mieris, Terborch, Rembrandt, Paul Potter, einen Tizian und anderes. "Herr Vervelle hat sich eine Torheit geleistet," sagte Frau Vervelle sehr wichtig, "er besitzt fuer hunderttausend Francs Bilder."—"Ich bin eben Kunstliebhaber," sagte der ehemalige Flaschenhaendler.
    Als der Maler das Portraet der Frau Vervelle begann, nachdem das ihres Gatten nahezu vollendet war, fand die Bewunderung der Familie kein Ende. Der Notar hatte von dem Maler eine geradezu glaenzende Schilderung gegeben: Pierre Grassou war in seinen Augen der ehrenwerteste Mann der Welt, einer der bestsituierten Kuenstler, der sich bis jetzt sechsunddreissigtausend Francs zusammengespart habe; die Tage des Elends seien fuer ihn vorbei, er habe eine Jahreseinnahme von zehntausend Francs; alles in allem, es sei ausgeschlossen, dass er eine Frau ungluecklich machen werde. Diese Schlussbemerkung fiel entscheidend in die Wagschale. Die Vervelles unterhielten ihre Freunde nur noch mit Gespraechen ueber den beruehmten Fougeres. An dem Tage, da Fougeres das Bild Virginiens in Angriff nahm, galt er schon als der zukuenftige Schwiegersohn der Familie. Die drei Vervelles bluehten und gediehen in der Atmosphaere dieses Ateliers, das sie nun schon als eine ihrer Residenzen ansahen. Eine unerklaerliche Anziehungskraft ging von diesem sauberen, freundlich geordneten Raum auf sie aus. Abyssus, abyssum—der Buerger zieht den Buerger an.
    Als die Sitzung zu Ende ging, erzitterte die Treppe unter heraufstuermenden schweren Schritten. Die Tuere wurde aufgerissen und Josef Bridau trat ein. Er war erhitzt und aufgeregt, seine Haare wehten, sein dicker Schaedel gluehte. Wie Blitze flogen seine Blicke umher und er wirbelte alles im Atelier durcheinander, um sich dann ploetzlich an Grassou zu wenden, waehrend er versuchte, den ueber den Bauch zusammengezogenen Rock zuzuknoepfen, was nicht gelang, da von dem betreffenden Knopf nur noch der leere Stoffueberzug vorhanden war. "Das Holz ist teuer," sagte er zu Grassou.
    "Ah!"
    "Die Glaeubiger sind hinter mir her…. Aber sag, malst Du dies Zeug da?"
    "So schweig doch!"
    "Ach so! Ja!"
    Familie Vervelle fuehlte sich durch das ungewoehnliche Auftreten dieses
Menschen im tiefsten verletzt. Ihre natuerliche Roete steigerte sich ins
Kirschfarbene und endlich zu flammendem Purpur.
    "Allerdings, so etwas bringt was ein!" begann Bridau wieder. "Hast Du
Geld?"
    "Brauchst Du viel?"
    "Fuenfhundert…. Ich bin einem Bluthund von Wucherer in die Finger gefallen. Wenn so eine Bestie einmal zugepackt hat, so laesst sie nicht locker, bis sie den Bissen geschluckt hat. Welche Rasse!"
    "Ich werde Dir ein paar Zeilen an meinen Notar mitgeben…."
    "Was, Du hast einen Notar?"
    "Ja!"
    "Nun, dann weiss ich doch wenigstens, warum Du die Wangen mit Rosentoenen malst, die einen Parfuemeur begeistern wuerden."
    Grassou konnte es nicht verhindern, dass er erroetete. Virginie verzog das Gesicht.
    "Warum haeltst Du Dich nicht an die Natur?" fuhr der grosse Maler fort. "Das Fraeulein ist rot—nun also, ist denn das so schlimm? In der Kunst ist alles schoen. Tu Zinnober auf Deine Palette und belebe die Wangen damit. Pinsele getrost die kleinen braunen Tuepfelchen hin und gib dem Ganzen etwas mehr Fettglanz. Willst Du mehr Geist haben als die Natur?"
    "Hier…." sagte Fougeres, "Du kannst mich ja solange vertreten, waehrend ich schreibe."
    Vervelle schob seinen Kugelkoerper leise an den Tisch heran und beugte sich zum Ohr des Malers herab. "Dieser Brausekopf wird aber doch alles verderben!" fluesterte der besorgte Kaufmann.
    "Wenn er das Bild Ihrer Virginie malte," erwiderte Fougeres entruestet, "so wuerde es tausendmal besser als meine Arbeit."
    Auf diese Auskunft hin zog Vervelle sich vorsichtig wieder zurueck und begab sich an die Seite seiner Frau, die ueber diesen Berserker einfach sprachlos war und sich nur hoechst beunruhigt darueber zeigte, dass er an dem Portraet
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