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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Vervelle und ging.
Grassou begleitete ihn zur Treppe.
    "Das war auch nur Ihnen moeglich, solche Kugeln aufzufangen," sagte er.
    "Hunderttausend Francs Mitgift!" sagte Magus.
    "Ja, aber was fuer eine Familie!"
    "Dreihunderttausend Francs spaeteres Erbteil, ein Haus in der Rue Boucherat und ein Landhaus in Ville d'Avray. Sie waeren fuer Lebenszeit versorgt," sagte Elias.
    Dieser Gedanke durchzuckte Grassous Gehirn wie die Morgensonne seine
Mansarde.
    Waehrend er dem Vater des jungen Maedchens behilflich war, die richtige Stellung zum Portraetieren einzunehmen, erfreute er sich an dem gutmuetigen Ausdruck dieses Mannes und bewunderte die violetten Farbtoene dieses Gesichts. Mutter und Tochter flatterten um den Maler herum und beobachteten voller Entzuecken seine Vorbereitungen; er erschien ihnen wie ein Gott. Fougeres gefiel sich in dieser Bewunderung. Das goldne Kalb strahlte sein phantastisches Licht ueber diese Familie.
    "Sie muessen unheimliche Summen verdienen, nicht wahr?" sagte die Mutter. "Aber Sie geben das Geld wahrscheinlich ebenso schnell, wie Sie es verdienen, wieder aus."
    "Nein, gnaedige Frau," erwiderte der Maler, "ich gebe es nicht aus, denn ich wuesste nicht, wozu. Mein Notar arbeitet mit dem Gelde und fuehrt Buch darueber; und sobald ich es ihm gegeben habe, denke ich nicht mehr daran."
    "Ich habe mir sagen lassen," rief Papa Vervelle, "Ihr Kuenstler waeret wie die Siebe."
    "Wer ist Ihr Notar, wenn es erlaubt ist?" fragte Frau Vervelle.
    "Oh, ein guter Kerl, der runde Cardot."
    "Aber nein, wie komisch!" lachte Vervelle. "Cardot ist auch unser
Notar."
    "Sie duerfen sich nicht bewegen," sagte der Maler.
    "Aber so bleibe doch ruhig," rief die Gattin. "Du wirst schuld sein, wenn der Herr einen Fehler macht. Du solltest ihn nur bei der Arbeit sehen, so wuerdest Du verstehen…." "Ach Gott! Warum habt Ihr mich nicht im Malen unterrichten lassen!" sagte Fraeulein Vervelle zu den Eltern.
    "Virginie," rief die Mutter, "es gibt gewisse Dinge, die ein junges Maedchen nicht kennen darf. Bist Du erst einmal verheiratet—gut! Aber bis dahin gib Dich zufrieden."
    Diese erste Sitzung genuegte, um den ehrenwerten Kuenstler mit der Familie Vervelle schon recht befreundet werden zu lassen. In zwei Tagen sollten die Vervelles wiederkommen. Vater und Mutter liessen Virginie auf dem Heimweg ein wenig vorausgehen, aber trotz der Entfernung erlauschte sie folgende Worte, die ihre Neugier erweckten: "Ein dekorierter Mann … siebenunddreissig Jahre … ein Kuenstler mit Auftraegen, dessen Geld von unserm Notar verwaltet wird … wie waere es, wenn wir Cardot zu Rate zoegen? Ha! Madame de Fougeres waere nicht uebel!… Er sieht nicht aus wie ein uebler Mensch…. Du meinst, besser ein Grosshaendler? Aber bei einem Kaufmann kannst Du, wenn er sich nicht bereits vom Geschaeft zurueckgezogen hat, nie wissen, wie es Deiner Tochter ergehen wird. Ein sparsamer Kuenstler dagegen … ausserdem lieben wir die Kunst … kurz und gut…."
    Waehrend die Familie Vervelle ihre Eindruecke ueber den Maler austauschte, bildete sich auch Fougeres seinerseits sein Urteil ueber die drei. Aber das Atelier war ihm zu eng und still dazu. Er begab sich auf die Strasse und musterte die rothaarigen Frauen unter den Voruebergehenden, wobei er die seltsamsten Schlussfolgerungen zog: Gold sei das schoenste der Metalle, und die gelbe Farbe kennzeichne das Gold, die Roemer liebten Frauen mit goldrotem Haar und er fuehle wie ein Roemer … und dergleichen mehr. Welcher Mann kuemmert sich, nach zwei Jahren der Ehe noch um die Haarfarbe seiner Frau? Schoenheit vergeht, aber die Haesslichkeit besteht. Geld ist der halbe Weg zum Glueck.
    Als der Maler abends zur Ruhe ging, fand er Virginie Vervelle bereits entzueckend.
    Als die drei Vervelles zur zweiten Sitzung das Atelier betraten, empfing der Maler sie mit einem liebenswuerdigen Laecheln. Der Schelm hatte heute seinem Bart besondere Aufmerksamkeit gewidmet; seine Waesche war bluetenweiss; anmutig hatte er sein Haar geordnet, und er trug eine sehr kleidsame Hose und puterrote Hausschuhe. Sein Gruss wurde von der Familie ebenfalls mit einem gewinnenden Laecheln beantwortet. Virginie, die so rot wurde wie ihr Haar, senkte die Augen und wandte den Kopf ab, als versenke sie sich in die Studien. Pierre Grassou war von diesen kleinen Zierereien entzueckt; er fand Virginie grazioes und gluecklicherweise weder ihrem Vater noch ihrer Mutter aehnlich.
    Waehrend der Sitzung entspann sich eine angeregte Unterhaltung
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