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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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denen vier oder fuenf durch die Jury zugelassen wurden. Der Maler lebte aeusserst bescheiden und hielt sich zur Bedienung nur eine Haushaelterin. Seine einzige Unterhaltung fand er in Besuchen bei seinen Freunden, im Anschauen von Kunstsammlungen und hin und wieder in einer kleinen Reise, die ihn aber nie ueber die Grenzen Frankreichs hinausfuehrte. Er beabsichtigte aber, sich demnaechst in der Schweiz neue Anregung zu holen. Unser Kuenstler war ein durchaus einwandfreier Staatsbuerger, der seiner Wehrpflicht genuegte, sich zu den Musterungen einstellte und seine Steuern ebenso wie seine Miete mit peinlicher Puenktlichkeit entrichtete.
    Da sein Leben in Arbeit und Sorgen aufgegangen war, hatte er keine Zeit gefunden, an die Liebe zu denken. Dem armen Junggesellen kam es auch garnicht in den Sinn, sein einsames Leben aufzugeben, und da er nicht wusste, wie er sein Geld nutzbringend anlegen koenne, brachte er jeweils die Ersparnisse des Quartals zu seinem Notar Cardot. Als die Summe auf tausend Taler angewachsen war, legte dieser sie als erste Hypothek an. Der Maler wartete auf den gluecklichen Augenblick, wo seine Papiere die imposante Summe von zweitausend Francs Rente abwerfen wuerden, um sich das otium cum dignitate des Kuenstlers zu geben und Bilder zu malen, oh, wirkliche, vollendete Kunstwerke. Seine Zukunft, seinen Traum von Glueck, seiner Hoffnungen Superlativ—wollt ihr ihn hoeren? Mitglied des Instituts werden und die Rosette der Offiziere der Ehrenlegion erwerben. Seite an Seite mit Schinner und Leon de Lora sitzen, frueher als Bridau. Eine Rosette im Knopfloch tragen! Welcher Traum!—Welch kleiner Geist, der nur an diese Dinge denkt!…
    Als Fougeres Schritte aus der Treppe vernahm, fuhr er sich durch das Haar, knoepfte seine flaschengruene Sammetweste zu und war nicht wenig entsetzt, als er gleich darauf ein Gesicht vor sich sah, das man in der Sprache der Ateliers treffend "Melone" nennt. Diese Frucht sass auf einem mit blauem Tuch bekleideten und mit einem Gehaenge klingender Berlocks geschmueckten Kuerbis, dem zwei Steckrueben, die man nur irrtuemlicherweise als Beine bezeichnen konnte, zum Gehen dienten. Die Melone schnaufte wie ein Walross. Ein echter Kuenstler haette den hiermit charakterisierten kleinen Flaschenhaendler unverzueglich vor die Tuer gesetzt, mit dem Bedauern, dass er leider kein Gemuese male. Fougeres aber sah sich seine Kundschaft erst, ohne eine Miene zu verziehen, an, denn im Vorhemd des Herrn Vervelle prangte ein Diamant von tausend Talern Wert. Der Blick, den hierauf Fougeres dem Magus zuwarf, bedeutete etwa: "Ein feister Brocken!", waehrend Herr Vervelle die Stirn runzelte. Der Ehrenmann fuehrte noch zwei andere Gemuesesorten in Gestalt seiner Frau und seiner Tochter mit sich. Die Gattin glich mit ihrem mahagonifarbenen Gesicht einer auf unfoermlichen Fuessen stehenden Kokosnuss, die nur mit einem Kopf gekroent und von einem Guertel eingeschnuert war. Sie trug ein gelbes Kleid mit schwarzen Streifen. Ihre geschwollenen Haende staken kokett in unvorstellbaren Fausthandschuhen, die einem Korporal haetten gehoeren koennen. Ihren riesigen Hut ueberfluteten maechtige Straussenfedern, und ihre runden massigen Schultern waren mit Spitzen geschmueckt. Dergestalt war die elfenhafte Erscheinung der Kokosnuss. Die Fuesse, die man treffender als Wurzelkloetze bezeichnen wuerde, quollen in sechs Wuelsten ueber die Lackschuhe hervor. Wie waren sie nur in die Schuhe hineingekommen?! Man weiss es nicht.
    Ihr folgte ein junger, gruen-gelber Spargel, dessen kleinen Kopf eine von Schleifchen gehaltene, rueben-rote Lockenfrisur zierte. Sie hatte spindelduerre Arme, einen leidlich weissen Teint, der mit Sommersprossen uebersaet war, grosse Unschuldsaugen mit fahlen Wimpern, fast gar keine Augenbrauen, einen Florentiner Strohhut, den zuechtig zwei von weissen Satinlitzen eingefasste Rosetten garnierten, die roten Haende der Tugend und die Fuesse der Mutter.
    Aus der beglueckten Miene, mit der diese drei Wesen in dem Atelier des Malers Umschau hielten, verriet sich ihre ehrfuerchtige Begeisterung fuer die Kunst.
    "Sie also werden uns malen, mein Herr?" fragte der wuerdige Vater.
    "Ja, mein Herr!" anwortete Grassou.
    "Vervelle, er hat das Ehrenkreuz!" fluesterte die Frau ihrem Manne zu, als der Maler ihnen den Ruecken zuwandte.
    "Glaubst du, ich wuerde unsere Bilder von einem Maler ohne Auszeichnung malen lassen?" sagte der gewesene Flaschenhaendler.
    Elias Magus verabschiedete sich von der Familie
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