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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Atelier zurueck. Aber er schwur es sich zu, ein grosser Kuenstler zu werden. Das Bild stellte er auf eine Staffelei und begab sich zu seinem frueheren Lehrer Schinner, einem Maler von ausserordentlichem Talent, einem weichen und geduldigen Menschen, dem die letzte Ausstellung des "Salons" seinen Erfolg garantiert hatte. Grassou bat ihn, er moege das zurueckgewiesene Werk seiner Kritik unterziehen. Der grosse Maler kam sofort von seiner Arbeit weg. Kaum hatte er das Bild mit einem Blick gestreift, drueckte er dem armen Fougeres die Hand: "Guter Junge, du hast ein Herz von Gold, man darf dich nicht hintergehen. Also hoere: du hast alles gehalten, was du als Schueler versprachst. Mein lieber Fougeres, statt dass man etwas Derartiges zusammenpinselt, tut man besser, den andern nicht Farbe und Leinwand zu stehlen. Sattle um, solange es noch Zeit ist! Zieh dir eine Schlafmuetze ueber und kriech um neun Uhr ins Bett. Morgen aber, gegen zehn, gehst du zu irgend einem Bureau und suchst dir einen Posten. Von der Kunst aber lass die Finger!"
    "Mein Freund," sagte Fougeres, "mein Werk ist bereits verurteilt worden, und ich bat dich nicht, es zu tadeln, sondern mir die Gruende fuer seine Ablehnung auseinanderzusetzen."
    "Nun also: du hast keine Farbe, du malst alles grau und tot, du siehst die Natur durch einen Schleier. In der Zeichnung bist du grob und ungeschickt, in der Komposition kopierst du Greuze, den zu verbessern du nicht berufen bist." Als Schinner die Fehler des Bildes aufzaehlte, bemerkte er in den Zuegen des jungen Malers den Ausdruck einer so tiefen Traurigkeit, dass er ihn zum Mittagessen einlud und ihn zu troesten suchte.
    Am naechsten Tage sass Fougeres schon um sieben in der Fruehe vor der Staffelei und pinselte an seinem verworfenen Bilde herum. Er vertiefte die Farben, beseitigte die von Schinner geruegten Maengel und arbeitete die Koepfe besser heraus. Als ihn die Korrekturarbeit anwiderte, trug er das Bild zu Elias Magus. Dieser Herr Magus war ein hollaendisch- belgischer Flame, und in dieser Mischung lag wohl die dreifache Vorbedingung fuer das, was er geworden war: geizig und reich. Von Bordeaux nach Paris gekommen, eroeffnete er auf dem Boulevard Bonne- Nouvelle eine Gemaeldehandlung. Das erste Bild, das Pierre ihm brachte, betrachtete er sehr genau; dann zahlte er ihm fuenfzehn Francs dafuer.
    Fougeres, der von der Palette leben musste, und, wie es die Jahreszeit brachte, Brot und Nuesse oder Brot und Milch oder Brot und Kirschen oder Brot und Kaese verzehrte, laechelte und meinte: "Fuenfzehn Francs verdienen und tausend Francs verbrauchen, damit kann man es weit bringen."
    Elias Magus zuckte die Achseln. Er nagte an den Fingernaegeln und dachte, dass er das Bild auch schon fuer hundert Sous haette erhandeln koennen.
    Jeden Morgen spazierte Fougeres nun von der Rue des Martyrs nach dem Boulevard Bonnes-Nouvelle hinab und mischte sich der Gemaeldehandlung gegenueber unter die Passanten. Seine Augen hingen an dem Bilde, das aber selten einmal die Aufmerksamkeit eines Voruebergehenden auf sich lenkte. Aber eines Morgens, gegen Ende der Woche, war das Bild verschwunden. Fougeres schlenderte die Strasse zurueck, ging auf die andere Seite hinueber und schritt gerade auf den Laden zu, indem er tat, als fuehre ein Zufall ihn des Weges. Der Haendler stand auf der Schwelle.
    "Nun, haben Sie mein Bild verkauft?"
    "Nein," sagte Magus, "ich lasse einen Rahmen darum machen, damit ich es einem anbieten kann, der glaubt, er verstehe etwas von Bildern."
    Fougeres wagte nicht mehr, sich auf dem Boulevard zu zeigen. Er arbeitete an einem neuen Gemaelde. Mit der Unermuedlichkeit eines Mannes plagte er sich zwei Monate lang wie ein Galeerensklave. Eines Tages ging er, fast ohne es zu wollen, wieder zum Laden des Magus. Das Bild war nicht mehr da.
    "Ich habe Ihr Bild verkauft," sagte der Haendler.
    "Zu welchem Preise?"
    "Ich habe meine Unkosten eingebracht und noch eine Kleinigkeit daran verdient. Malen Sie mir flaemische Interieurs, eine Anatomiestudie, eine Landschaft. Ich werde sie Ihnen abkaufen," sagte Magus.
    Fougeres waere dem Alten am liebsten um den Hals gefallen. Er blickte zu ihm wie zu einem Vater auf. Freude im Herzen, kehrte er heim. Also hatte der grosse Schinner sich doch in ihm getaeuscht. Noch gab es in dieser Riesenstadt Herzen, die in gleichem Takt mit seinem eigenen schlugen. Man erkannte und schaetzte seine Begabung. Dieser arme Bursche von siebenundzwanzig Jahren besass die Einfalt eines
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