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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)
Autoren: Bernd Frenz
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hatte den Waisen daraufhin so genannt, wie der arme Tropf heißen sollte, der sich schon im Mutterleib mit der Nabelschnur erdrosselt hatte.
    Helbrecht.
    Außer Urna rief ihn aber niemand so. Nicht mal ihr mürrischer Gatte, der den Findling nur in seinem Hause duldete, weil er eine kostenfreie Hilfskraft darstellte.
    An guten Tagen gab sich Helbrecht der Hoffnung hin, dass er der einzige Überlebende einer Katastrophe wäre, an schlechten glaubte er hingegen, seine leiblichen Eltern hätten ihn dem Meer übergeben, weil sie den grotesken Anblick seiner unförmigen Füße nicht länger ertragen konnten.
    Nur der Anhänger, den er schon in der Wiege getragen hatte, nährte seine Hoffnung, dass er doch noch einmal herausfand, wer er eigentlich wirklich war und woher er stammte. Auf der Rückseite des polierten Steins stand etwas in einer fremden Sprache, von dem er hoffte, dass es sein Name sein könnte.
    Manchmal des Nachts träumte Helbrecht von saftigen Auen, durch die sich ein klarer Fluss wand wie ein blaues Band. Von fruchtbaren Marschen, wie es sie in diesem kargen, von Felsen geprägten Landstrich nicht gab, und wie er sie noch nie mit offenen Augen gesehen hatte. Seine Ziehmutter meinte, das müssten Eindrücke sein, die er als Kleinkind aufgeschnappt hatte. Vielleicht sagte sie das nur, um ihn zu trösten, vielleicht stammte er aber wirklich aus einem Land, das jenseits des unüberwindlichen Meeres lag und in dem Halblinge seiner Größe nichts Besonderes waren.
    »Träum nicht, Findling!«, riss ihn Orm unsanft aus seinen Gedanken. »Schaff lieber die Krüge an die Tische.«
    Auf dem Weg zu Grimhold musste der Halbling einen scharfen Schlenker vollführen, weil ihm ein Betrunkener ein Bein zu stellen versuchte. Bei diesem Ausweichmanöver schwappte das bestellte Dünnbier über, was normalerweise zusätzliche Schelte bedeutet hätte. Doch im gleichen Moment, da er die Getränke servierte, verstummten sämtliche Stimmen im Raum. Selbst die Kinnlade des alten Grimhold sackte so stark herab, dass sich seine faltigen Gesichtszüge glätteten.
    Ein kalter Hauch strich Helbrechts Rücken hinauf, und das lag keineswegs nur an der frischen Nachtluft, die plötzlich durch die offene Tür hereinzog. Irgendjemand war zu ihnen in die Schenke getreten, so viel stand fest. Jemand, der alle Anwesenden in höchstes Erstaunen versetzte.
    Vorsichtig drehte der Halbling den Kopf, bis er die Blicke von drei Fremden auffing, die ihn mit ernster Miene fixierten. Alle drei waren von schlanker, hochgewachsener Gestalt, sodass sie jeden der übrigen Gäste um mindestens einen Kopf überragten.
    Helbrechts Hand wanderte unbewusst zu dem runden, in der Mitte durchbohrten Steinanhänger, der ihm an einem Lederband um den Hals baumelte. Aus irgendeinem Grund übte bereits die bloße Berührung des schlichten Schmuckstücks eine beruhigende Wirkung auf ihn aus. Vielleicht, weil es die einzige verbliebene Verbindung zur Vergangenheit war, seit Orm die Fasswiege während eines kalten Winters im Kamin verheizt hatte. Vor allem war der Stein jedoch der unumstößliche Beweis dafür, dass seinen leiblichen Eltern doch etwas an ihm gelegen haben musste. Warum sonst hatten sie ihm wohl einen Talisman mitgegeben, auf dem Symbole in einer unbekannten Sprache eingeritzt waren?
    Helbrecht konnte sich das beim besten Willen nicht anders erklären.
    Die rechte Hand fest um den Stein geschlossen, hielt er dem Blick der Fremden stand, die in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von dem Halbling waren und ihm doch in einem entscheidenden Punkt verblüffend ähnelten. Nie zuvor in seinem Leben hatte Helbrecht andere Menschen gesehen, deren Ohren ebenso schmal nach oben zuliefen wie die seinen.
    »Elben«, hauchte Grimhold so leise, dass es nur jene hörten, die mit ihm am Tisch saßen oder standen. »Was haben die hier zu suchen?«
    Elben? Von einem Volk dieses Namens hatte Helbrecht schon mehrmals gehört, seine Existenz aber bisher für pures Seemannsgarn gehalten. Zumal es hieß, dass diese Elben Hunderte von Jahren alt wurden, was ihm nur schwer vorstellbar erschien. Die drei, die gerade zur Tür hereingekommen waren und sich nach einem Sitzplatz umsahen, wirkten jedenfalls keineswegs wie Greise. Vielmehr handelte es sich um zwei Männer und eine Frau in tannengrünen Umhängen, die einen äußerst wehrhaften Eindruck machten, was zum Teil den kunstvoll gearbeiteten Schwertern an ihren Seiten geschuldet war.
    Einer der beiden männlichen Elben war
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