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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)
Autoren: Bernd Frenz
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wissen. Und selbst von denen ist kaum einem bekannt, dass sich im Inneren des Berges Leuchmadans Hort befindet, ein Gewirr von Gängen und Gewölben, in dem der Herr der Finstervölker seinen größten Schatz verborgen hält.«
    »Wie kommen wir hinein?« Maneas musterte den Berg in der Ferne.
    »Dafür haben wir Volpar dabei«, verkündete Malangar.
    »Nicht ganz«, sagte Gulbert. »Wir gehen gemeinsam weiter, solange wir können. Aber wenn zu viele Feinde zwischen uns und unserem Ziel stehen, dann müssen die Wichtel allein weiterziehen. Sie können ungesehen zwischen Leuchmadans Heeren einherschleichen, und Volpar kann uns einen Weg öffnen, wo es keine offenen Wege mehr gibt.«
    Bei Nacht loderten Feuer an allen Hängen, die sich durch diesen Landstrich zogen. Bei Tageslicht konnte man sehen, dass es keine Feuerberge waren, an deren Flanken die Flammen der Unterwelt auf natürliche Weise zutage traten. Breite Straßen zogen sich über die umliegenden Berggrate, querten auf hohen Brücken die Sümpfe und Wasserläufe in den Tälern. Kastelle säumten die Höhenzüge. Löcher mit Kränen an ihrem Rand sowie regelrechte Ansiedlungen von Werkstätten verrieten die Minen und Bergwerke, die hier alle Hügel durchzogen. Auf den Straßen marschierten bei Nacht ganze Heerscharen, Wagenzüge und Sklavenkarawanen.
    Wir wanderten tief in den morastigen Senken, duckten uns hinter die spärlichen Sträucher oder krochen durch Schlammlöcher. Immer wieder spähten wir hinauf zu den belebten Hängen und Straßen. Wir fragten Gulbert, ob es nicht sicherer wäre, bei Nacht zu reisen, aber er sagte uns, dass die Finstervölker im Dunkeln viel besser sehen können, die Sonne sie hingegen blendete. So bewegten wir uns bevorzugt zur hellsten Mittagsstunde und waren bald so verdreckt, dass unsere ganze Kleidung denselben tarnenden Farbton bekam, den unsere Mäntel schon hatten. Und wenn überhaupt je ein Feind sich die Mühe machte, hinab ins Sumpfland zu schauen, so bemerkte er uns nicht.
    Eines Nachts nahm ich den Schlüssel wieder heraus, zum ersten Mal, seit die Herrin vom See ihn mir gegeben hatte. Ich kauerte mich ein wenig abseits der anderen nieder und studierte ihn. Er glänzte silbrig im Mondlicht und war ungewöhnlich dick und schwer – viel schwerer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich schwenkte den Schlüssel versonnen vor und zurück, und überraschenderweise schwang der Bart lose hin und her. Er hing an einer Achse. Bei jeder Bewegung klirrte es hell aus dem Inneren.
    Ich untersuchte den Schlüssel daraufhin noch genauer und fand einen dünnen Glaszylinder im Schaft, angefüllt mit einer trägen, dunklen Flüssigkeit. Der lose Bart griff mit zwei Zacken in den hohlen Schaft hinein. Wenn man ihn in ein passendes Schloss steckte und mit Kraft drehte, würde der Bart den Glaszylinder zerbrechen. Die Flüssigkeit würde heraustreten und die Spitze des Schlüssels sowie den Bart benetzen. Ich verstand den Sinn nicht, aber ich wusste, dass ich den Glaszylinder nicht vorzeitig beschädigen wollte. Ich verstaute den Schlüssel also wieder sicher in seinem hölzernen Etui zwischen den Seidenkissen.
    Am nächsten Tag wanderten wir weiter und erreichten endlich den Fuß der Sternenklippe. Gulbert führte uns auf die Seite, die der Straße auf dem angrenzenden Bergkamm abgewandt war. Ein Gewitter tobte über uns und verbarg die Bergspitze. Der Regen erreichte uns nicht, aber das Wasser floss in Sturzbächen den Hang herab und ergoss sich schäumend in den brackigen Morast zu unseren Füßen. Oft wateten wir knietief durch Tümpel und Wasserläufe und zupften uns anschließend die Blutegel von der faulig riechenden Kleidung. Gulbert war schon längst kein weißer Magier mehr.
    »Hier klettern wir die Bergflanke empor«, sagte er. »Auf dieser Seite ist niemand, der uns erblicken könnte.«
    Laetas spähte den Hang hinauf. »Ich sehe eine Straße dort oben«, sagte er, »die sich um den Berg herumschlängelt. Wir werden nicht hinaufkommen, ohne sie zu kreuzen.«
    Maneas kniff angestrengt die Augen zusammen. »Wo?«
    »Dort«, antwortete Laetas. »Im Schatten, dicht unter der Wolkendecke, die den Berg umgibt.«
    »Auf dem Teil der Straße, der hoch zur Sternenklippe führt, habe ich weder Goblins noch Wagen gesehen«, erwiderte Gulbert. »Ich glaube, dieser Ort ist für sie tabu. Leuchmadan will nicht, dass seine Untertanen dort herumschnüffeln. Solange wir außer Sichtweite der umliegenden Festungen bleiben, sollten wir sicher
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