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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba
Autoren: Christoph Hardebusch
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gefressen, wenn aufsässig sind.«
    Haru schluckte hart. Tirza riss die Augen auf. Sie leuchteten im Sonnenlicht bernsteinbraun. Nie hatte Haru Schönere gesehen. Er wollte darin versinken, aber erst musste er seinen Plan in die Tat umsetzen.
    Haru fasste den Stab fester. Jetzt hatte Haru den Zauberer beinahe dort, wo er ihn haben wollte. »Was soll das bedeuten?« Er stellte sich dumm, doch innerlich vibrierte er vor Tatendrang. Wenn Skaggi es nicht rechtzeitig schaffte, musste er eben tun, was nötig war. Manchmal brauchte man keinen Helden, sondern nur einen zu allem entschlossenen Schäfer.
    »Die Fahlen, wie ihr sie nennt, haben beim Feldzug gegen die Menschen von Stirka ihre ewig hungrige Armee mit wandelndem Proviant versorgt.« Der Zauberer musterte sie von oben herab und machte eine Geste, die Haru und Tirza einschloss. »Dazu haben sie einen Haufen Kleinvolk gleich vor ihrer Haustüre ausgehoben. Die Armee trieb sie vor sich her wie Vieh. Einige überlebten die Zerschlagung der Gogler.«
    Wieso habe ich davon nie etwas gehört? Haru fühlte mit einem Mal die Last der schlaflosen Nacht doppelt auf seinen Schultern.
    Tulima spitzte abschätzig die Lippen. »Die Habila blieben auf ihren breiten Hintern sitzen und bewegten sich über tausend Jahre lang nicht vom Fleck. Sie vergaßen ihre Herkunft, vergaßen ihre Herren. Ich merke, ihr beide macht da keine Ausnahme.«
    Tirza scharrte angespannt mit ihrem Steinfuß und sah Hilfe suchend zu Haru hinüber. »Ich glaube das nicht.«
    Haru rang um eine Antwort, denn er fühlte sich wie jemand, dem gerade das Dach über dem Kopf zusammengestürzt war.
    Tulima keckerte bei Tirzas Zwischenruf wie eine Elster. »Was, dann glaubst du also, dass die heiligen Moorlichter dein Volk erschaffen haben, wie man es den Kindern erzählt? Aus Torferde, einer Nuss und Löwenzahn?« Seine Stimme wurde schneidend: »Ihr mögt eure Herkunft vergessen haben, aber für diese Gogler ist wenig Zeit vergangen in ihrem steinernen Schlaf der Jahrhunderte. Sie erinnern sich nur zu gut an den Geschmack eures Fleisches.«
    »Willst du uns nun drohen oder für deine Sache gewinnen?«
    »Haru!«, kam es vorwurfsvoll von Tirza. »Wie kannst du ein Wort von alldem ernst nehmen?«
    »Es ist einfach, Mädchen. Einmal Sklave, immer Sklave.« Tulima hob die Arme und spreizte seine weiten Ärmel wie ein Pfau sein Gefieder. »Weißt du, wie die Menschen euch nennen? Halblinge . Ihr seid in ihren Augen nichts Halbes und nichts Ganzes. Nicht einmal einen richtigen Namen wert, und erst recht keine Eroberung.«
    Das schlug eine gespannte Saite in Haru an. Brinell war freundlich gewesen, aber auch herablassend mit seinen Bemerkungen über kleine Halblinge.
    »Warum?«, fragte er und meinte damit: Warum wussten wir nichts mehr davon?
    » Ihr seid sogar zu unbedeutend, um erneut versklavt zu werden. Platte Entenfüße eignen sich nicht für Feldzüge, so sagen die Menschen, und darum nehmen sie euch nicht ernst. Verbündet euch mit mir, an meiner Seite könnt ihr sie Respekt lehren.«
    Harus Hand begann leicht zu beben, doch die wahre Erschütterung saß tief in ihm drin. War sein Volk wirklich bedeutungslos und verachtet? Ein niedergeschmetterter Teil von ihm hoffte, dass Skaggi nie ankam. Ein anderer Teil schreckte vor der nötigen Entscheidung zurück, falls Skaggi versagte. Doch sein Herz schlug inzwischen für Tirza und bürdete ihm eine neue Verantwortung auf.
    Tirza war vor Ärger rot angelaufen. »Und was bist du für einer? Selbst kaum größer als wir Halblinge , und so dürr, dass dich jeder Windstoß umpustet!«
    » Ich habe mich durch Gelehrsamkeit von den Fesseln meiner Herkunft befreit. Ihr solltet mir nicht feindlich gegenübertreten, denn ich bin der Einzige, der euch Wohlwollen entgegenbringt.«
    Haru suchte in Tulimas Zügen nach vertrauten Merkmalen. Seine braunen Augen waren nicht anders als die des eigenen Volks. Die Haare, obgleich kurz geschnitten, ringelten sich auf der Kopfhaut.
    Haru stauchte vor seinem inneren Auge Tulimas Leib zusammen, und die Lösung warf sich regelrecht in seine Arme wie ein jauchzendes Kind. »Du bist einer von uns, nicht wahr? Ein Halbling.«
    Er hörte Tirza ungläubig stöhnen, doch Tulima grinste.
    »Ich war einst wie ihr. Aber dann ging ich zu den Fahlen und lernte ihre Magie und Geschichte. Und ich suchte einen Meister, der bereit war, meine Gestalt zu verändern. Es war eine lange, schmerzhafte Wandlung, aber nun bin ich frei.«
    Haru drehte sich weg,
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