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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba
Autoren: Christoph Hardebusch
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komplett die Orientierung.
    »Gleich sind wir draußen«, meinte Tirza mit einem hoffnungsvollen Blick zur niedrigen Decke. »Noch diese Biegung, dann kommt das Haupttor.« Sie kämpfte sich an Haru vorbei, als müsse sie beweisen, dass sie besser und schneller war als er. Haru fühlte immer noch ihre Haarspitzen auf der Haut und den Druck ihrer Hand, auf die sein Bauch mit einem quecksilbrigen Kribbeln reagiert hatte.
    Die Gänge hier waren schmaler, vielleicht, um Feinden das Eindringen in die Festung zu erschweren. Glück für die Flüchtenden. Auch Harus gesundes Bein fühlte sich mehr und mehr an wie eine morsche Bohnenstange und immer weniger wie ein Teil von ihm. Er legte seine ganze Kraft in die Schritte und eierte um die Biegung. Prompt prallte er neben Tirza gegen eine gewaltige Steinplatte. Eine Sackgasse? »Wo kommt diese Mauer her?«, schimpfte er. »Ich dachte, du kennst …«
    Tirza schüttelte den Kopf. Haru verstand: Das war keine Mauer, sondern ein Torflügel. Nur eine Handbreit Fels trennte sie von der Freiheit. Sie drückten mit aller Kraft dagegen und fühlten buchstäblich den eisigen Atem der Gogler im Nacken. Aber dieses Tor konnten sie selbst zu zweit nicht bewegen.
    Tirza ließ den Kopf hängen wie eine vertrocknete Sonnenblume. »Ich hoffe, dass wenigstens Skaggi es geschafft hat. Der arme Brinell.«
    Angst umklammerte Harus Herz, mehr aus Sorge um Tirza als um sich selbst. Von Gefühlen überwältigt, strich er ihr eine vorwitzige Locke aus der Stirn. »Wir sollten an uns denken. Es muss einen anderen Weg hinaus geben. Überleg doch!«
    Wie aufs Stichwort bog einer der Verfolger um die Ecke. Haru stockte der Atem. Der von Svar herbeigerufene Gogler hatte sie erspäht und fletschte die Zähne, die scharf wie Felsgrate aus seinem Maul ragten. Der würde sie mitsamt ihrer Fußbekleidung locker in einem Stück verschlingen. Bestimmt konnten Gogler Stein verdauen.
    Moment mal!
    »Wo liegt die Latrine?« Haru rannte mit Tirza im Schlepptau los – egal wohin, erst einmal fort von dem Ungeheuer.
    Brinell hatte erzählt, dass Hiltarion früher von einer Flussschleife umgeben war, die im Laufe der Jahrhunderte versumpft war. Die Entsorgung per Plumpsklo war also naheliegend. »Sie sollte irgendwo in der Außenwand sein.«
    »Natürlich! Drei Sitze mit Loch in der Mitte«, stieß Tirza im Laufen hervor. »Wir dachten früher immer, das wären die Throne der Riesen.« Sie kicherte und übernahm die Führung.
    »Habila «, knurrte der Gogler. »Stehen bleiben, ihr kleinen Leckerbissen, Tumbu hat Hunger.«
    Das spornte die beiden gewaltig an. Vor ihnen tauchte eine Nische mit drei Steinsitzen auf, die eine Mauer teilweise absperrte. Der Gogler käme hier allenfalls quer hindurch, und sich mit Magie den Weg zu bahnen kostete Zeit.
    Tirza blieb stehen. »Sollen wir wirklich?« Haru schubste sie vorwärts. Da spürte er selbst einen Ruck. Tumbu versuchte, den Mantel mit ihm daran einzuholen wie eine Angelschnur. Haru krallte sich an der Türeinfassung fest. Er hörte Stoff reißen und schoss los. Doch sein ungelenkes Bein verhedderte sich im losen Saum, und er ging zu Boden. Lahm wie eine nasse Biene krabbelte er weiter und erreichte die Rückwand. Tumbu zwängte sich halb in die Nische, doch sein Arm reichte nicht ganz bis zu Haru.
    Tirza hockte bereits auf dem Rand der Mulde.
    »Schnell«, zischte Haru, »ehe er die Wand mit seiner Magie verbreitert.«
    Tirza schielte durch die Öffnung in der Sitzfläche und schüttelte sich. Dann ließ sie ihren Kampfschrei ertönen – Reblingen! – und schlüpfte in die Freiheit.
    Haru erklomm den benachbarten ›Thron‹. Er zögerte noch einen Wimpernschlag und zwängte sich dann durch das Loch. Die Beine rutschten weg, aber als sein Bauch hängen blieb, schlug Haru das Herz bis zum Hals. Mit den Armen drückte er sich ab, wand sich wie ein Regenwurm am Angelhaken, glitt etwas tiefer, dann riss sein Steinfuß ihn in die Tiefe. Wenigstens wurde es rasch hell, und erst dann wieder dunkel. Mit einem Schmatzen landete Haru in der braunen Masse und tauchte unter. Der erstickte Aufschrei verbrauchte seine letzte Atemluft.
    Heftig strampelnd, ploppte Haru nach oben wie ein Korken. Er spuckte schwammige Bröckchen. »Na wunderbar!«
    »Wenigstens sind wir weich gefallen«, meinte Tirza. »Obwohl ich nicht so genau wissen will, worauf. Da vorn ist die Brücke.«
    »Ich sehe rein gar nichts«, schimpfte Haru. Er wischte sich mit der nicht minder verdreckten Hand Schlamm
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