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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition)
Autoren: Thorsten Nesch
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Was machen wir jetzt?«
    Sie hatte zweifelsfrei die Schnauze voll, sie hatte wahrscheinlich schon vor dem Flug die Schnauze voll gehabt, von ihm, von der Idee, sie hatte damit abgeschlossen und nur auf diesen oder einen ähnlichen Moment gewartet. Sie konnte nicht den Finger darauf legen, wie alles den Bach runter gehen würde, und das war wohl ihr einziger Grund gewesen, überhaupt hierher zu fliegen: die Beweisführung.
    Aber das half ihnen jetzt nicht weiter. Sie mussten es hier rausschaffen, alleine, ohne die Möglichkeit, Hilfe zu rufen. Vor ihnen lagen zwanzig Meter Schlamm auf der Straße, dann begann der Asphalt wieder. Hinter ihnen bedeckte die Lawine die Straße, so weit er sehen konnte.
    Zum Rand des Erdrutsches müsste die Schlammschicht dünner werden, überlegte er. Wenn er seinen 150 aus dem Graben befreien könnte, hätten sie gute Chancen, ihre Fahrt fortsetzen zu können. Da war er sich sicher.
    Also sagte er, und er wusste nicht, wo er den Humor hernahm, »Am besten, du steigst aus und schiebst hinten.«
    »Du kannst mich mal hinten ...«, brach sie ab, ohne die kleinste Spur Humor.
    Es war ein Versuch gewesen.
    Wortlos stieß er die Tür auf und sprang in den Matsch. Bis zu den Waden versanken seine Beine im Schlamm.
    »Rutsch ans Lenkrad, und wenn ich gegen den Kotflügel schlage, gibst du vorsichtig Gas«, sagte er und knallte die Tür zu.
    »Daddy, Daddy«, drang es dumpf aus dem Wageninneren.
    Er knipste ihm mit dem Auge zu. Cliff würde ein echtes Lächeln noch nicht von einem falschen unterscheiden können. Und gegen das Trommeln der Regentropfen auf dem Blech rief er, »Bis gleich!«
    Während er an der Ladefläche entlang zum Heck watete, hielt er sich an der Außenwand fest. Regen lief ihm von seiner Calgary Flames Baseballkappe in den Nacken. Schlamm suppte zwischen der Jeanshose und den Stiefeln kalt von oben runter bis an die Knöchel. Dann stellte er sich mittig hinter den Pick-up, damit der durch die Beschleunigung aufgewirbelte Schlamm links an ihm vorbeifliegen konnte. Ihr die Genugtuung zu geben, nach der Aktion auszusehen wie ein tragischer Schwarzweißfilmstar, das wollte er nicht. Er lehnte sich auf die Heckklappe und drückte die Antriebsachse tiefer in den Dreck. Zwischen der Rückenlehne des Kindersitzes und dem Koffer von Tara vorbei beobachtete Cliff ihn mit einem Auge durch die Heckscheibe. Jon reckte beide Daumen hoch, und sein Sohn erwiderte wie immer ihr gemeinsames Zeichen.
    Schließlich klopfte er zweimal rasch gegen das Blech, drückte das Heck mit seinem Gewicht hinunter, und Tara gab Gas.
    Die Räder drehten durch, sie gewannen einen halben Meter, das war alles.
    Er hob die Hand als Zeichen zum Abbruch des Versuches. Die Drehzahl des Motors verringerte sich bis in den Leerlauf.
    Gewicht, dachte Jon, der Ford brauchte mehr Gewicht auf der Antriebsachse. Er begann, schwere Steine aus dem Schlamm zu heben und auf die Ladefläche zu werfen. Polternd kamen sie dort zu liegen, einer nach dem anderen, manchmal zwei auf einmal, zwischen American Football und Basketballgröße.
    Schweiß mischte sich mit dem Regen in seinem Gesicht. Der zehnte Stein, der elfte, er musste sich immer weiter von dem Wagen entfernen, hin zum Waldrand, in den sich die Schlammlawine ergoss.
    Laut bollernd kam ein Stein nach dem anderen auf dem geriffelten, ehemals blauen, nun abgenutzten und verrosteten Blech zu liegen.
    Als hinter ihm im Wald unter der Gewalt der Erdmasse ein Baum einstürzte, verstand Jon das als Zeichen, es gut sein zu lassen und sich mit dem Rücken zum Fahrerhaus zusätzlich auf die Steine zu setzen. Mit den Beinen stützte er sich an der Laderampe ab. Er musste ein jämmerliches Bild abgeben, verdreckt und klatschnass, liegend auf der Ladefläche.
    Dann schlug er wieder zweimal gegen den Radkasten, Tara ließ den Motor aufheulen, und der Ford maulte sich aus dem Graben, durch den Schlamm bis auf den Asphalt, wo Tara zu scharf bremste und Jon darauf das Gleichgewicht verlor und mit einigen Steinen bis gegen die Fahrerkabine flog.
    »Hey!«, rief er und klatschte mit der Hand gegen die Heckscheibe, so dass Cliff erschreckte und sein Gesicht hinter dem Sitz verschwand.
    »Ach, Scheiße«, fluchte er, weil ihm das leid tat, und rieb sich die Schulter, die den Schwung des Sturzes aufgefangen hatte.
    Die Fahrertür wurde aufgestoßen, »Was ist mit
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