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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition)
Autoren: Thorsten Nesch
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kleines Haus hatten sie aufgeben müssen, um Miete zu sparen. Kein unbedeutender Lebenswandel, Spannungen inklusive, mit den Schwiegereltern und untereinander.
    »Wie meinst du das?«, fragte er zurück, »Wirklich?«
    »Am Telefon hast du nicht immer überzeugend geklungen.«
    Jeden zweiten Tag hatte er vom Camp aus per Satellitentelefon zuhause angerufen, oft nur kurz, um zu hören, ob alles in Ordnung war, oder um Cliff eine gute Nacht zu wünschen.
    »Es läuft, es läuft.«
    »Natürlich läuft es. Läuft es gut oder schlecht?«
    Er wollte nicht zu lange mit einer Antwort warten, also sagte er, »Normal. Wie erwartet ...«
    »Das ist das, was ich am Telefon meinte, Jon!«
    Sie mussten sich leicht in die nächste Kurve legen, er nahm sie etwas zu schnell.
    »Was soll ich sagen? Was willst du hören? Wir arbeiten, wir haben alles ans Laufen gekriegt, wir schürfen, wir haben Gold gefunden.«
    Sie schaute ihn an mit dem Blick, den er nicht mochte, jenen Blick, den er immer häufiger bekam.
    »Viel?«
    »Viel, viel, viel ...«, er zuckte mit den Schultern.
    Cliff unterbrach ihn von der Rückbank, »Mami, mehr! Mehr!«
    Er wusste, sein Sohn würde nicht eher aufhören, bis sie reagierten. Jon war froh.
    Sie drehte sich um, »Was?«
    »Alle-alle, die Littis sind alle«, er zeigte mit einer großen Geste auf die leere Tupperdose.
    »Litschis«, korrigierte sie ihn und sprach dabei betont langsam das Wort aus, »du hast sie echt alle gegessen?«
    Jon wunderte sich, »Du gibst ihm Litschis?«
    Sie verschränkte die Arme, »Geben? Nein, das sind keine Pillen, die sind gesund. Die hatte ich für mich geholt, vor dem Abflug. Was weiß ich, was es hier draußen an gesundem Essen gibt. Litschis sicher nicht.«
    »Sicher nicht.«
    Was sollte er darauf sonst sagen? Er suchte die Antwort auf der Beschriftung eines geparkten gelben Dodge Ram Van neben der Straße. ‚Provincial Department of Yukon – Landvermessung' stand unter dem Wappen der Provinz auf der Seite.
    »Mehr Littis!«, kam es vom Rücksitz.
    »Nicht so laut! Ich sitze direkt vor dir!«, sagte Jon, die helle Stimme geriet seinem Sohn oft zu laut.
    »Er ist aufgeregt«, antwortete Tara und entspannte ihre Arme, »Ich habe nicht mehr, Schatz, es sind keine mehr da. Du hast sie alle gegessen.«
    Cliff schob die Unterlippe vor, gleich würde er losheulen wie eine Sirene beim Feueralarm.
    Jon versuchte, sämtliche Emotionen aus seiner Stimme zu halten, »Hinter der nächsten Kurve wird die Straße zu einer Schotterpiste, dann sind wir in einer halben Stunde da. Wir haben Äpfel.«
    Um seinen Worten Gewicht zu verleihen, warf er einen Blick über die Schulter zu seinem Sohn.
    Genau in dem Moment kreischte Tara, »Jon!«
    Allein wegen des Tons in ihrer Stimme erwartete er unmittelbar vor seinem F150 eine lebensbedrohliche Gefahr. Deswegen trat er, ohne zu zögern, mit seinem Arbeitsstiefel auf die Bremse, noch bevor er etwas erkennen konnte. Zunächst glaubte er die Kontrolle über den Wagen verloren zu haben und sie würden von der Straße schleudern, doch dies war nicht der Fall, vielmehr kam die Erde auf die Straße zu.
    Eine kniehohe Schlammlawine ergoss sich wie zäher Brei vom Hang auf die Straße. Bremsen half nichts, denn der Pick-up wurde erfasst und mit der Masse von der Straße getragen. Steine polterten an seiner Seite, als würden sie damit beworfen. Der Ford schwamm auf der Brühe, vergeblich lenkte er dagegen, die Räder hatten den Kontakt zum Asphalt verloren. Der Pick-up drehte sich um seine eigene Achse. Tara kreischte, und Cliff fiel mit ein, wobei er gar nicht wusste, was los war. Die Welt verwischte vor ihren Augen.
     
     
Der Grolar hielt den Kopf gesenkt und verfolgte den unter seinen Pranken wegrutschenden Boden. So etwas hatte er noch nie gesehen.
    So ähnlich sah es aus, wenn er einen Abhang auf dem Bauch hinunterschlidderte. Nun war es umgekehrt, ihm war, als würde er einen Abhang aufwärts rutschen. Sein gleichzeitiges Rückwärtsmarschieren verstärkte den Eindruck.
    Dieser Erde traute er nicht.
    Der modrige Gestank nach Würmern, totem Laub und Zerfall stach in seiner Nase, überlagerte sogar den Geruch nach dem frischen Blut an seiner Schnauze in dem langen Sommerregen. Er wuchtete seinen mächtigen Körper auf den Hinterbeinen herum
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