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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn
Autoren: Karl Bleibtreu
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mich selbst der noble Pferde-Sport (ich bin ein wenig romantisch, gnädige Tante) – kurz, so wäre ich denn Rittmeister.«
    »Wie lange hast Du Urlaub?« fragte Dorrington.
    »Auf unbestimmte Zeit. Ich muß mich einmal auslüften. Man verbauert ganz. Und da hab' ich denn London als Ziel meiner Reise gewählt, weil Ihr ja so gütig waret, mich wiederholt anzufordern.«
    »Sie sind hier zu Haus, lieber Neffe!«
    »Das versteht sich,« rief der alte Lord. »Dein Vater, der General, war der Intimus meiner Jugend, als ich noch als Attaché bei der britischen Gesandtschaft in Wien stand. Ich betrachte Dich wie einen Sohn.«
    »Ja und deswegen,« fiel die praktische Lady ein, »wollen wir uns auch mal ein wenig mit Ihrer Zukunft beschäftigen. Wie geht's Ihnen denn?«
    »Schlecht und recht, wie ein armer jüngerer Sohn es verlangen kann.« Xaver zuckte mit vielsagendem Lächeln die Achseln.
    »Oho, so! Nun, um Ihre Verhältnisse aufzubessern, wäre ja doch das Bequemste eine reiche Heirath. Wie,
mon cher,
sollten Sie nicht daran gedacht haben, als Sie nach England gingen?«
    Er machte eine abwehrende Bewegung. »O nein. So sehr dies wünschenswerth wäre, verkaufen mag ich mich nicht!«
    Lady Dorrington hob mit komischem Erstaunen beide Hände empor. »Verkaufen! Welch' ein Wort! Sie sollen eben thun, wie
tout le monde!
Nur ruhig, Lieber, wir werden das schon in die Hand nehmen. Ueberlassen Sie das meinem Takt!«
    Xaver küßte ihr verbindlich die Hand. »Wie soll ich Ihnen danken für das Interesse, gnädige Tante, das Sie mir entgegenbringen! Doch fürs erste.. übrigens wird das wohl auch kaum so leicht sein wie Sie denken.«
    »Das überlasse man mir! Ich denke doch, einem Grafen Krastinik stehen alle Pforten offen!« Und Lady Dorrington warf stolz das Haupt in den Nacken, als wäre sie der vereidigte und patentirte Anwalt für alle Generationen Derer von Krastinik. »Apropos, haben Sie viele ›
introductions
‹ nach London mitgebracht?«
    »Nicht eine. All solche Pläne lagen mir ja ohnehin fern. Ich will nur einen Monat hier zubringen, um mich zu erholen – das ist Alles. Ich gedenke gar nicht, mich wieder in die Gesellschaft einzupferchen. Und im Sommer obendrein, wo sonst in ganz Europa die Saison längst endet! Wie drollig verschieden hier alles doch ist!«
    Lord Dorrington lachte leicht auf, die Lady lächelte. »Nehmen Sie gleich einen Hinweis und guten Rath, lieber Xaver: Finden Sie nichts ›drollig‹, was ihnen hier auffällt. Das wäre in England der gröbste Verstoß. Bedenken Sie, daß gerade den Engländern alles ›drollig‹, vorkommt, was sie auf dem Continent sehen! Und jeder Brite nimmt stillschweigend an, daß man seine Sitten als etwas Superiores ehrt und anerkennt. – Nun, wir werden Sie schon in gute Gesellschaft bringen.«
    »
George, my dear,
« wandte sie sich an ihren Gatten, »Nächsten Sonnabend ist eine ›Garten-Parthie‹ bei Egremonts. Sorgen wir dafür, daß unser Freund eine Einladung erhält, nicht?«
    »Aha!« machte der Lord, indem er verschmitzt ein Auge zudrückte.
    »Well. Das soll geschehn.«
    Der Graf verbeugte sich. Seine vornehme Reservirtheit verbot ihm, sich näher zu erkundigen, wer »Egremonts« seien. »Ich nehme das dankbar an. Heut Nachmittag will ich noch eine Karte bei unserem Botschafter abgeben; dann ist mein gesellschaftliches Tagewerk fürs erste gethan.«
    Man unterhielt sich eine Weile über allgemeine Gegenstände. Es zeigte sich, daß der schneidige Kavallerist neben der gebräuchlichen Theilnahme für Pferde und Wettrennen als begeisterter Amateur der Musik und besonders der schönen Litteratur seine freien Stunden widmete. Als er jedoch seiner Landsmännin ein Ungarisches Lied vorsingen wollte und sie eifrig dabei accompagnirte, schienen ihre beiderseitigen Sprachkenntnisse im Magyarischen nur mangelhaft entwickelt. Hatten sie doch ihr Lebenlang nur Deutsch gesprochen und auf ihren ungarischen Gütern selten verkehrt. Dies hinderte aber nicht, daß sie völlig darüber
d'accord
waren, die Deutschen seien eine maßlos arrogante und rohe Nation, welche gedemüthigt werden müsse.
    »Die armen Franzosen!« seufzte Lady Dorrington wehmüthig. »Bismarck wollte Deutschland einen – und dafür mußten die Franzosen bluten. Und jetzt droht er schon wieder! Dies Deutschland will nie Frieden halten.«
    »Hm!« Der alte Lord runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Sein englisches Gerechtigkeitsgefühl bäumte sich auf. Er vermied jedoch, mit seiner Frau,
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