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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn
Autoren: Karl Bleibtreu
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Verhältnisse mit Damen der Aristokratie (dem Theater und Ballet hielt er sich fern, schon seiner beengten Geldverhältnisse wegen) hatte er gelöst, ohne dabei sein Herz beschwert zu finden. Immer suchte er etwas, was ihm seine Umgebung nicht bieten konnte »Ich habe manchmal auch meine idealen Stunden,« entgegnete er einmal bitter einem Componisten, der ihm vorgestellt wurde und der wie üblich von der Vereinsamung des Künstlers in der rohen Welt jammerte. – Ein Dichter! So mußte es sein.
    Noch Abends beim Dinner im St. James Restaurant, wo er, das Parisian Dinner zu 5 Shilling verschmähend, für 3 Shilling ein opulentes Table d' hôte zu den Klängen einer Musikkapelle einnahm, grübelte er über dies Thema weiter. Es beschäftigte ihn so, daß er erst am andern Tage dazu kam, beim Botschafter vorzusprechen.
    Dieser empfing ihn mit der Auszeichnung, die einem Krastinik gebührte (selbst wenn dieser halt nur ein jüngerer Sohn war) und stellte sich völlig zu seiner Disposition, wenn er ihm mit etwas dienen könne. »Wünschen Sie vielleicht bei Hofe vorgestellt zu sein, mein theurer Graf?«
    »Excellenz verzeihen, wenn ich auf die hohe Ehre verzichte. Ich bin gleichsam auf der Durchreise in London..«
    »Gleichsam incognito. Verstehe.« Excellenz sagten das mit einer so eingefleischt wichtigen Amtsmiene, als ob hinter diesem »Verstehen« ein wichtiges diplomatisches Geheimniß stecke. »Aber in die Gesellschaft wünschen Sie doch wohl eingeführt zu werden?«
    Auch dies lehnte Krastinik ab. Als der verwunderte Gesandte aber in ihn drang, wenigstens den Rout der herrschenden Saison-Schönheit mitzumachen, der demnächst stattfinde – er sehe die Herzogin noch heut Abend und verbürge sich für sofortige Einladung –, sagte er zu.
    Sie plauderten noch einige Zeit über – Nichts, wie nur geborene Aristokraten dieses vornehme Tätteln in anmuthiger Ungezwungenheit verstehn.
    Zum Abschied empfahl ihm der Vertreter der vierten Großmacht, doch ja das Kochbuch seines verehrten Kollegen, des deutschen Botschafters Graf Münster, zu studiren. Krastinik fühlte sich befriedigt, als er die Marmorstufen hinabschritt, daß er diese lästige Pflicht erfüllt hatte.
    Seufzenden Herzens machte er sich sodann gen Regentsstreet auf und verfügte sich zu Nicoll's, um einen Frack nach Londoner Schnitt mit Seidenaufschlägen zu erwerben, die man dort vorräthig findet für jedes erdenkliche Leibesmaß.
    Mit dem stolzen Bewußtsein, daß der Prinz von Wales einen ähnlichen Frack mit seinem allerhöchsten Geschmack zu beehren geruht habe, wie wenigstens der Atelier-Maitre versicherte, kehrte er heim.
    Düster philosophirte er über die Häßlichkeit dieses Kleidungsstücks, indem er sich im Spiegel musterte. Dabei ertappte er sich bei dem Gedanken, der ihm blitzschnell durchs Gehirn huschte: » Dichter sollten sich poetischer kleiden!«
     

II.
     
    Egremonts waren Sonnabend »
at home
«, wie ihn eine Karte belehrte, die fast zugleich mit der Einladungskarte der Herzogin, bei welcher er anstandsgemäß eine Karte abgeworfen hatte, bei ihm eintraf.
    Ein Billet seiner Tante und Gönnerin belehrte ihn, wer Egremonts seien. Mr. Egremont ein vielfacher Millionär, der sich von seinem berühmten Verlagsgeschäft zurückgezogen und zur Ruhe gesetzt hatte. Die Töchter, Miß Alice und Miß Maud, seien reizend.
    Xaver lächelte und »verstand« – so diplomatisch, wie der Herr Gesandte.
    Es war eine »Garten-Parthie«. Ein Theil der jungen Leute spielte Lawn-Tennis, der andre saß im Kreise und übte sich im »Flirting«. Man reichte nur Thee, Eis und Kuchen.
    Miß Alice, welche leicht erröthete, als Lady Dorringtons Stimme hinter ihr mahnte: »Darf ich Ihnen meinen Neffen, den Grafen, vorstellen,« verzog unmerklich den Mund, als sie desselben ansichtig wurde. Sie hatte ihn sich größer und schlanker gedacht, einen gräflichen Husaren aus der Pußta.
    Miß Maud hingegen rief sofort mit der ihr eigenen, nur einer englischen Jungfrau anstehenden Kordialität: »Hocherfreut.
Les amis de mes amis sont mes
amis.
Mein Ideal, Lord Dorrington, den ich anbete, ist Ihr Freund – also!« Dabei schüttelte sie ihm kräftig die Hand.
    Sie war sehr groß und schlank. Ihr Teint wachsbleich, ihre schwarzen Augenbrauen über der Stirn zusammengewachsen. Wenn sie redete, enthüllten ihre Lippen eine Reihe blendender, scharfer, aber zu großer Zähne. Sie hatte etwas stark Emancipirtes, obschon eine gewisse redliche Tüchtigkeit sich in ihren
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