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Grippe

Grippe

Titel: Grippe
Autoren: Wayne Simmons.original
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einfach nicht menschlich. Während der Doktor den geschundenen, wiewohl immer noch funktionierenden Leib des Colonels liebkoste, als sei die unförmige Masse aus Fleisch und Knochen sein liebstes Schoßtier, wurde dem Major klar, dass der letzte Rest Humanität – falls der Mann sie je besessen hatte – auf ewig verloren war. »Wissen Sie, dass sie sogar ihre eigenen Körper fressen?«, fragte Gallagher und schaute Jackson an, als sei er ein Student in irgendeinem seiner Seminare. »Passen Sie auf.« Er wirbelte mit dem Zeigefinger durch die Luft, ehe er vor sich hinsummend zurück zum Tisch ging. Dort nahm er einen der blutigen Beutel zur Hand und wickelte behutsam ein nicht zu identifizierendes Körperteil aus dem Plastik. Damit trat er wieder vor den Colonel, der gierig auf der Sitzfläche rutschte. Jackson wollte nicht zuschauen, fühlte sich aber seltsamerweise außerstande, den Blick abzuwenden. Gallagher fütterte den Toten mit dessen eigenem Fleisch, und der Colonel biss es vom Knochen wie ein ausgehungerter Löwe. »Ich weiß, was Sie denken.« Der Doktor widmete sich der Leiche regelrecht mütterlich, als sei sie ein krankes Kind. »Sie fragen sich bestimmt, weshalb sie sich im Freien nicht gegenseitig jagen.« Gallagher hielt dem Colonel die Hände gefährlich dicht vor den Mund, während er weitersprach. Der Tote war gefräßig und verschlang jeden Bissen, als sei es sein letzter. »Nun ja«, fuhr der Doktor fort. »Gemäß meiner Theorie folgen sie einer Art Gemeinschaftsgeist – Sippenhaft, wenn Sie so wollen. Oder drücken wir uns so aus: Sie verschonen einander, weil sie sich gewissermaßen zugehörig fühlen.« Gallagher zog eine Augenbraue hoch, als wolle er Jackson den nächsten Punkt besonders nachhaltig einprägen. »So ähnlich wie uns«, erläuterte er, »treibt sie nur schiere Verzweiflung dazu, so zu handeln, wie der gute Colonel jetzt …«
    Er ließ den Knochen mit dem Rest Fleisch zwischen den Zähnen des Toten stecken. »Nun denn, ich brauche ihn nicht mehr länger für meine Studien. Ich suche ein neues Exemplar, Major, und da kommen Sie ins Spiel.«
    »W-wovon sprechen Sie?« Jackson erstarrte, dann bäumte er sich vergeblich gegen seine Fesseln auf.
    »Ich habe Ihnen das Virus injiziert«, gab Gallagher preis. »Ich brauche ein weiteres totes Objekt um – sagen wir – Brinas mutmaßliche Immunität zu prüfen. In Wirklichkeit bin also weniger ich derjenige, der sich der Kleinen gewogen zeigen muss. Nein Sir, Sie sind es.«
    »Sie Dreckskerl!« Tränen verschleierten Jacksons Augen. Wut und Furcht peinigten seinen Körper gleichzeitig.
    » Ich musste Sie eigentlich nicht vorsätzlich infizieren«, fuhr Gallagher fort, ohne sich um Jacksons Gefühlsausbruch zu kümmern. »Sie wären auferstanden wie all die anderen, hätte ich sie – sagen wir – eines natürlichen Todes sterbenlassen. Indes, ich brauchte ein Exemplar, das vollkommen infiziert ist, wenn Sie verstehen. Ein Exemplar, das der Erreger richtiggehend – sagen wir – durchdrungen hat.«
    »Wie k-können Sie das nur tun?«, schnaubte der Major verächtlich. Mit einem Mal spürte er, wie sich die Seuche in ihm ausbreitete. Er hustete und verschluckte sich an seinen eigenen Worten, als seien sie zu harsch für ihn. Er würgte an einem Klumpen Blut der sich in seinem Mund ergoss und musste sich beinahe übergeben. Er wollte keine dieser Kreaturen werden; er wollte nicht erneut das Leben eines jungen Menschen zerstören, nachdem er vor so langer Zeit das von Flynns Sohn genommen hatte. Das durfte nicht geschehen; mit dieser Sündenlast sollte kein Mann sterben müssen. Er musterte Gallagher, suchte nach einer Spur von Güte, nach einem Funken Nächstenliebe in seinem ausdruckslos sterilen Blick, doch der Doktor starrte bloß, als gelte es, eine logische Antwort auf eine nüchterne Frage zu geben.
    »Für ein übergeordnetes Wohl, Sir«, entgegnete er höflich, um Jacksons Nachhaken schließlich gerecht zu werden. »Ich tue es zum Wohle aller.«

Epilog

    Edward Samuel McFall saß am Tisch auf der Terrasse, während sich benutzte Taschentücher wie abgerissene Blütenblätter zu seinen Füßen häuften. Mehrere Bierdosen lagen zerknüllt ähnlich schmutziger Servietten dazwischen. Die Maske hatte er neben die Zeitschrift mit dem Golfartikel gelegt. Immer noch roch sie stark nach Kräutern, immer noch war sie vollkommen nutzlos.
    Er war betrunken. Voll wie ein Pendlerzug, wie seine alten Kollegen vom Taxistand zu sagen
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