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Grippe

Grippe

Titel: Grippe
Autoren: Wayne Simmons.original
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Boden des Kontrollraums, nachdem er angeschossen worden war. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie sie ihn hergebracht hatten. Er fühlte sich furchtbar. Ihm war schwindlig. Im Raum herrschten fast eisige Temperaturen, und die Kälte ließ seinen matten, alten Körper beben, obwohl ihm der Schweiß auf der Stirn ausbrach. Als er die Wunde an seiner Schulter besah, stellte er fest, dass man sie verbunden hatte. Schließlich fiel sein Blick auf den untoten Colonel, den man direkt vor ihm ebenfalls an einem Stuhl festgezurrt hatte. Er, beziehungsweise das, was von ihm übrig war, stierte kalt zurück. Er war kaum mehr als ein Klumpen Fleisch, ein Rumpf mit Kopf. Gliedmaße wie Organe lagen in verschlossenen, blutigen Plastiktüten auf einem Tisch neben ihnen, an dem Gallagher zu arbeiten schien. Der Doktor blickte auf, als Jackson versuchte, freizukommen.
    »Ah«, freute er sich. »Wie auf Bestellung.« Nach wie vor trug er den blutbesudelten Sicherheitsanzug, der ihm offenbar als Operationsschürze diente. Er hatte Handschuhe angezogen und hielt eine Spritze fest. »Sehr löblich, Sir«, fuhr er fort. »Der Schatten, den Sie auf dem Videobildschirm bemerkt haben – nun, es handelte sich um ein junges Mädchen.« Er trat vor einen zweiten Tisch, legte die Spritze nieder und zog vorsichtig die Handschuhe aus, ehe er eine Akte aufschlug. »Ah ja, da haben wir es. Apartment 23. Zuletzt war die Wohnung auf eine gewisse Brigita Fico angemeldet. Eine Litauerin. Wie Sie wissen, lancierten wir gemeinsam mit dem Innenministerium ein Testprojekt zur Aufspürung besonders dreister illegaler Einwanderer. Das geschah, nachdem die Friedensverhandlungen Fahrt aufgenommen hatten, und unser altes Überwachungsprogramm hinfällig wurde. Miss Fico gehörte zu unseren ersten Zielpersonen. Leider entzog man uns jegliche Fördermittel, noch ehe das Projekt greifen konnte.« Gallagher machte eine Pause und blickte versonnen in die Ferne. »Dennoch löschten wir die vorhandenen Daten nicht, wie Ihnen bekannt sein dürfte. Informationen bedeuten Macht in diesem Spiel. Zuletzt erfuhren wir, dass Brigita ein Töchterchen bekommen hatte. Die kleine Brina kam vor sechs Jahren zur Welt – just zu der Zeit, da wir unser Vorhaben frühzeitig abbrechen mussten.« Gallagher studierte die Akte weiter. »Brina ist höchstwahrscheinlich der Schatten, den Sie gesehen haben.« Jetzt erst schaute er Jackson an. »Sie stand unter Quarantäne, weil sie krank geworden war, doch nun scheint sie wieder quicklebendig zu sein …«
    Jackson kämpfte gegen seine Fesseln an.
    »Sie ist bloß ein Kind, Gallagher«, hörte er sich sagen. Die Worte kamen gequält aus seinem geschwollenen Hals, als hätte er zu heiß gegessen. Plötzlich musste er husten; zäher Schleim klebte an seinen Lippen. »Um Gottes willen …« Er dachte an seine Enkeltochter. Nach seinem Alkoholexzess war er soweit wieder nüchtern, dass Erinnerungen aufkamen, die er zu verdrängen gesucht hatte, etwa dass er nicht mehr mit seiner kleinen Prinzessin gesprochen hatte, seit die Epidemie ausgebrochen war. Überhaupt wusste er nicht, wo sie war und wie es ihr ging.
    Gallagher schaute ihn an, als sei er zutiefst verletzt. So deutlich hatte er Jackson gegenüber noch nie Gefühle gezeigt.
    » Das Kind ist eminent wichtig für meine Nachforschungen, Sir – eine Arbeit, die hoffentlich den weiteren Bestand der Menschheit garantieren wird«, betonte er. »Sie können sich also gewiss sein, dass wir alles Erdenkliche tun werden, um für das Wohl der Kleinen zu sorgen.«
    » Sie sind ein verdammtes Monster!«, stieß Jackson hervor, als er sich das Ergebnis von Gallaghers Nachforschungen am Körper des Colonels angeschaut hatte. Dass er zimperlich mit dem Mädchen umgehen würde, stand nicht zu erwarten. »Sie rühren sie nicht an, oder ich schwöre, ich –«
    »Sie brauchen nicht zu schwören, Sir«, unterbrach der Doktor, »sondern sollen mir nur ein wenig bei der Arbeit helfen.« Er legte die Akte zur Seite, ging zum Leichnam des Colonels und strich ihm liebevoll übers Haar. »Er war ein guter Befehlshaber«, sann er, »und nach seinem Tod vielleicht noch nützlicher als zuvor. Ich erhielt tiefe Einsichten bei der Arbeit mit ihm …«
    Jackson fürchtete, der Doktor sei nun vollkommen übergeschnappt. Richtig getickt hatte Gallagher noch nie, wie er wusste. Niemand konnte durchweg so kaltherzig sein, so vollkommen bar jeglicher Emotion, ohne nicht einen Riss in der Schüssel zu haben. Es war
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