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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen
Autoren: Rafael Abalos
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auf, warf ihm eine zerschlissene Decke als Sattel über den Rücken und kehrte mit dem Tier am Zügel zu Durlib zurück.
    »Wie kann ich dir deine großzügige Hilfe nur vergelten?«, fragte dieser und machte Anstalten, ein paar Münzen aus dem Beutel zu holen, den er unter seinem Kittel trug.
    »Nimm mich mit«, antwortete Grimpow, ohne zu zögern. »Wenn dieser Händler und mein Onkel bemerken, dass ich sie hintergangen habe, peitschen sie mich so lange aus, bis sie mir das Rückgrat gebrochen haben«, fügte er hinzu und warf dem Fremden einen flehenden Blick zu.
    Durlib musterte den Jungen und überlegte, was er mit ihm anfangen sollte. Schließlich sagte er lächelnd: »Jetzt steig schon auf diese Schindmähre und lass uns schleunigst das Weite suchen. Wenn meine Verfolger uns schnappen, werde im Morgengrauen nicht nur ich gehenkt, sondern du gleich mit.«
    Das ließ sich Grimpow nicht zweimal sagen. Freudig und mit einem akrobatischen Sprung schwang er sich auf das Pferd. Im strömenden Regen machten die beiden sich auf den Weg zu seiner Mutter in Obernault, einem kleinen Dorf, das eine gute Stunde von Rhile entfernt lag. Dort wollten sie die Nacht verbringen.
    »Bei deinem Onkel scheinst du dich nicht besonders wohlzufühlen«, bemerkte Durlib. Das Grollen des abziehenden Gewitters übertönte fast seine Worte, während am Himmel immer wieder Blitze zuckten.
    »Onkel Fedo ist mit einer Schwester meiner Mutter verheiratet und der Einzige, der in unserer Familie ein Auskommen hat. Als mein Vater vor zwei Jahren an Pocken gestorben ist, hat mich meine Mutter zum Arbeiten zu ihm geschickt. Sie hat es getan, damit ich wenigstens nicht hungern muss und den Beruf des Gastwirts erlerne. In Obernault wird wenig angebaut und der kalte Nordwind vernichtet jedes Jahr fast die gesamte Ernte. Meine Tante ist eine gute Frau, aber mein Onkel ist wahrhaftig ein Wüterich, der unentwegt schimpft und fast täglich seinen Unmut an mir auslässt. Außerdem verflucht und schlägt er mich ständig und peitscht mich regelmäßig aus.«
    »Was hast du jetzt vor?«, fragte Durlib, während er unablässig in die Dunkelheit spähte, die sie umfing, seit sie Rhile hinter sich gelassen hatten.
    »Wenn du willst, kann ich dein Diener werden«, antwortete er.
    »Ein Landstreicher wie ich hat keinen Diener. Außerdem bin ich gern allein und mein unstetes Leben als Geächteter ist keinen Deut besser als das deine in der Schenke deines Onkels.«
    »Immerhin kannst du gehen, wohin du willst!«, wandte Grimpow ein.
    »Meine Freiheit wird letztlich nur dazu führen, dass ich eines Tages in irgendeinem elenden Dorf gehenkt werde. Ich kann nicht zulassen, dass du mit mir kommst.«
    »Dann lass mich wenigstens so lange bei dir bleiben, bis ich meinen eigenen Weg im Leben gefunden habe«, bat Grimpow.
    Sie sahen sich beim Reden nicht an, schließlich war es dunkel und Grimpow saß hinter Durlib auf dem Pferd, aber in diesem Moment drehte Durlib sich um und blickte dem Jungen direkt in die Augen.
    »Du solltest versuchen, etwas Besseres zu werden als ein gewöhnlicher Strauchdieb, wie ich einer bin«, sagte er.
    »Ich wollte immer Schildknappe werden, damit ich den Umgang mit Waffen erlerne und in Schlachten kämpfen kann.«
    »In den Schlachten töten die Männer einander, ohne recht zu wissen, warum. Du solltest dir eine andere Beschäftigung suchen.«
    Daraufhin trat Schweigen ein, das sie geraume Zeit begleitete, bis Durlib, der sich in der Schuld des Jungen fühlte, erklärte: »Na gut, du kannst bei mir bleiben, wenn du willst. Aber nur für begrenzte Zeit«, schränkte er ein, diesmal ohne sich umzudrehen.
    Grimpow wusste, dass seine Mutter sich freuen würde, ihn zu sehen, auch wenn seine Flucht aus der Schenke seines Onkels sie womöglich verstimmte. Als sie bis auf die Knochen durchnässt sein Elternhaus erreichten, erzählte Grimpow ihr, was geschehen war. Seine Zukunftspläne mit Durlib, den er als ehrbaren Spielmann vorstellte, überzeugten sie nicht recht davon, dass sein Berufswechsel von Vorteil sei. Dennoch überschüttete sie ihn, als sie wieder Abschied nahmen, mit Küssen und guten Wünschen. Vielleicht hatte sie einen Moment lang befürchtet, in ihrem Haushalt noch jemanden durchbringen zu müssen. Grimpow hatte außer seinen vier Schwestern zwei weitere kleine Kinder bemerkt, die er nicht einmal kannte.
    So begann der Junge also sein neues Leben an Durlibs Seite. Gemeinsam zogen sie durch Dörfer und Städte, stahlen auf
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