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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen
Autoren: Rafael Abalos
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Bauernhöfen und Märkten, überfielen Kaufleute und Pilger. Sie gaben sich vor Kirchentüren als Blinde oder Krüppel aus und bettelten, jonglierten und trugen auf Marktplätzen und in Schlössern Romanzen vor. Im Winter wilderten sie in den Bergen. Durlib brachte Grimpow den Umgang mit Pfeil und Bogen bei und zeigte ihm, wie man die Spuren von Kaninchen, Hirschen und Rehen, Luchsen, Bären, Wölfen und Füchsen las. Er lernte, trotz der Entbehrungen der Armut zu überleben, einen guten Freund zu schätzen und in Neumondnächten die Sterne zu betrachten.
    All dies ging dem Jungen durch den Kopf, während sie mit ihrem kostbaren Schatz durch den Schnee auf die Abtei Brinkum zustapften, und er hätte sich nicht träumen lassen, dass er sich schon sehr bald für immer von Durlib trennen sollte.

Unverhoffter Besuch

    I m fahlen Abendlicht tauchten die Gemäuer von Brinkum als rötliche Steinmasse vor ihnen auf, bedeckt von Dächern, auf denen sich der Schnee türmte. Die Abtei lag im Nordosten von Ullense in einem fruchtbaren Tal, umgeben von Wäldern, Flüssen und Bergen. Sie war vor drei Jahrhunderten von Einsiedlermönchen errichtet worden, die an diesem schönen Ort die Pforten des Paradieses gefunden zu haben glaubten. Der hohe Glockenturm, der sich majestätisch über die anderen Gebäude erhob, diente schon von Weitem als Orientierung für verirrte Pilger und zur Abschreckung von Dämonen.
    Es war nicht das erste Mal, dass Grimpow die Abtei mit Durlib aufsuchte. Denn der Abt, ein Mönch mittleren Alters mit den winzigen, ausdruckslosen Augen einer Statue, besaß trotz seines Armutsgelübdes nicht wenige Schmuckstücke und Kleinode. Sie waren sein ganzer Stolz und mehr als einmal hatte er einen Anteil von Grimpows und Durlibs Beute gefordert. Im Gegenzug hatte er ihnen das eine oder andere ausgiebige Mahl mit Wein gewährt. Außerdem durften sie in einer klostereigenen Hütte im Wald überwintern und in den Bergen jagen, und nicht zuletzt drückte der Abt bei ihren Vergehen stets ein Auge zu.
    »Wir sollten unseren Schatz lieber verstecken, bevor wir um Einlass bitten, sonst will der Abt nur wissen, was sich in der Satteltasche befindet, und steckt neugierig die Nase hinein«, sagte Durlib, als sie an einer Furt einen Bach überqueren wollten.
    Grimpow betrachtete die üppige Pflanzenwelt um sich herum, die hohen Tannen überall und die grauen Felsen, denen der Wind ihre zarte Schneedecke entrissen hatte. Nicht weit von ihnen stand auf einem Steinsockel ein kleines Kreuz, das den Weg zur Abtei wies. Eine geeignete Stelle, um die Satteltasche zu vergraben, dachte er und deutete mit ausgestrecktem Arm darauf.
    »Am Fuße dieses Kreuzes ist der Schatz gut aufgehoben«, erklärte er.
    Durlib nickte nur und ging mit großen Schritten darauf zu. Er öffnete die Satteltasche und zog die beiden reich verzierten Dolche heraus. Den kleineren gab er Grimpow, den größeren behielt er für sich.
    »Steck ihn zwischen Wams und Hose«, forderte er den Jungen auf.
    »Glaubst du, uns droht bei den Mönchen irgendeine Gefahr?«, fragte Grimpow verblüfft.
    »Nach allem, was ich heute gesehen habe, bin ich lieber vorsichtig«, antwortete Durlib mit einem flüchtigen Lächeln.
    Auch er versteckte seinen Dolch unter dem Wams, zog dann sein Schwert aus der Scheide und bohrte hinter dem Sockel mit dem kleinen Steinkreuz ein Loch. Bevor er die Satteltasche hineinlegte, öffnete er sie noch einmal und holte einige Silbermünzen heraus.
    »Die tauschen wir beim Abt von Brinkum gegen zwei der Pferde ein, die er mit so viel Hingabe in seinen Stallungen züchtet. Ich weiß nicht recht, wo Straßburg liegt und wie viele Tage wir dorthin unterwegs sein werden, aber zu Pferd ist die Reise gewiss bequemer als zu Fuß.«
    Als Grimpow begriff, dass Durlib trotz seines Argwohns genau wie er nach Straßburg wollte, um herauszufinden, was es mit dem Brief des toten Edelmannes auf sich hatte, konnte er es kaum erwarten, in der Abtei anzukommen.
    Den Stein hatte Grimpow in das kleine Leinensäckchen mit den Rosmarinzweigen gleiten lassen, das er immer um den Hals trug. Obwohl er nun die Wärme, die der Stein ausgestrahlt hatte, solange er ihn in der Hand gehalten hatte, nicht mehr spürte, nahm er doch unausgesetzt seine Nähe wahr. Es handelte sich keineswegs um einen gewöhnlichen Talisman, so viel war klar. Etwas Unerklärliches, eine Art stummer Ruf aus der Ferne, trieb den Jungen dazu, herauszufinden, was wirklich dahintersteckte. Allerdings
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