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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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Gefolgschaft in der Abtei eingetroffen«, erklärte Bruder Brasco keuchend. Er machte den Eindruck, als bekäme er vom schnellen Laufen und dem Schreck, der ihm in die Glieder gefahren war, keine Luft.
    Als Grimpow das hörte, bestand für ihn kein Zweifel mehr: Bruder Brasco war davon überzeugt, dass das Gespenst des Edelmannes in den Wäldern die Geister der Toten um sich geschart hatte und nun die Abtei mit seinem unheimlichen Gefolge überfallen wollte. Auch Durlib dachte offenbar so etwas, der Angst nach zu urteilen, die sich auf seinem Gesicht widerspiegelte. Der Junge hingegen ahnte, dass die Reiter am Klostertor unheilvoller und niederträchtiger waren als jedes erdenkliche Gespenst, da sie Geschöpfe aus Fleisch und Blut waren.
    »Wir wollen diejenigen willkommen heißen, die so heftig an unsere Tür klopfen, wer auch immer sie sein mögen«, entschied der Abt und übernahm die Führung des improvisierten Gefolges.
    Eine ganze Reihe von Mönchen war aus dem Schlafsaal heruntergekommen und hatte sich in der großen Eingangshalle der Abtei eingefunden. Alle warteten aufgeschreckt und gespannt auf die Ankunft des Abtes, und als sie ihn durch den Kreuzgang näher kommen sahen, traten sie zur Seite und bildeten einen schmalen Gang. Einige Mönche trugen brennende Kerzen, während andere die Hände unter dem Skapulier gefaltet hatten, als wollten sie für die Ankömmlinge einen Lobgesang anstimmen.
    »Öffnet das große Tor!«, wies der Abt die Diener an.
    Das Quietschen der Riegel brachte das Gemurmel der Mönche zum Verstummen. In der stockfinsteren Nacht tauchten die Silhouetten von sechs Reitern mit langen Umhängen auf, die schwarz waren wie ihre Pferde. Große Kapuzen verdeckten ihre durchgefrorenen Gesichter.
    »Wer von Euch ist der Abt?«, erklang eine tiefe Stimme vom Rücken eines Pferdes, das unruhig im Schnee scharrte.
    Der Abt trat vor, bis er unter dem Sturz des offenen Tores stand. »Ich bin der Abt von Brinkum, aber nun ist die Reihe an Euch, uns Euren Namen und die Eurer Begleiter zu nennen, bevor Ihr die Abtei betretet.«
    Eines der Pferde wieherte und bäumte sich auf.
    »Mein Name ist Burumar de Gostelle vom heiligen Orden der Dominikaner, Inquisitor von Lyon und Abgesandter von Papst Clemens V. In seinem Namen ersuche ich Euch um Quartier in Eurer Abtei für mich und die Soldaten des Königs von Frankreich, die mich begleiten«, erklärte der Reiter feierlich und streifte seine Kapuze ab. Darunter kam ein mit Narben übersä-tes Gesicht zum Vorschein, das er mit einem kurzen weißen Bart zu kaschieren versuchte.
    Als Bruder Brasco die Worte des Dominikaners vernahm, atmete er erleichtert auf, allerdings verdüsterte sich sein rundes Gesicht sogleich wieder. Denn während die Neuankömmlinge das Tor passierten, stellte der Küchenmönch fest, dass dem letzten Soldaten der Schimmel folgte, auf dem er das Gespenst des toten Edelmannes in die Berge hatte reiten sehen. Nur trug das Tier keinen Reiter mehr.

Eine Geschichte und eine Legende

    D ie Diener brachten die Pferde in den Stallungen unter, die Mönche kehrten in ihren Schlafsaal zurück, Bruder Brasco begleitete die Soldaten des Königs in die Küche, um sie zu verköstigen, der Abt lud den Inquisitor in seine Gemächer ein, wo dieser bei einem reichlichen Abendessen die Gründe für seinen Besuch darlegen würde, und Durlib zog sich mit Grimpow in den Pilgersaal zurück. Allmählich kehrte in allen Winkeln der Abtei wieder Stille ein.
    Auf ihren Strohsäcken und beim spärlichen Schein einer kleinen Öllampe auf dem Boden ließ Durlib Grimpow an seinen Sorgen teilhaben.
    »Denkst du das Gleiche wie ich?«, fragte er leise. Sein Kopf lag auf den im Nacken gefalteten Händen, und er starrte an das Deckengewölbe, als blickte er in die Unendlichkeit.
    »Ich glaube schon.«
    »Der Schimmel ohne Reiter, den einer der Soldaten am Zügel geführt hat, könnte dem toten Edelmann gehört haben«, mutmaßte Durlib.
    »Bruder Brasco ist davon überzeugt. Ich habe sein entsetztes Gesicht bemerkt, als sie das Pferd an ihm vorbeiführten«, erwiderte Grimpow.
    »Möglicherweise ist es vor den wilden Tieren aus dem Wald geflüchtet und sie haben es unten im Tal gefunden«, überlegte Durlib.
    »Mir ist jedenfalls aufgefallen, dass es lahmt.«
    Durlib wälzte sich auf seinem Strohsack hin und her, da ihm ein unbarmherziger Floh zu schaffen machte. »Ich befürchte, der Dominikaner wird Fragen stellen und Bruder Brasco könnte sich verplappern. Vor allem,

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