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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Mrs.
    Elizabeth verwundert durch ihren Zwicker betrachtete; »well«, und dann sagte er noch »yes«.
    »Ich habe Sie zu Nummer sechs und sieben meiner sittlichen Weltordnung ernannt.«
    »Yes.«
    »Sie haben eine Griechin aufgenommen«, fuhr Archilochos fort.
    »Well«, sagte Mr. Weeman.
    »Auch ich bin ein Grieche.«
    »Oh«, sagte Mr. Weeman und zog sein Portemonnaie.
    Archilochos wehrte ab. »Nein mein Herr, nein meine Dame«, sagte er. »Ich weiß, vertrauenerweckend sehe ich nicht aus, auch vielleicht nicht gerade griechisch, aber mein Auskommen in der Petit-Paysan-Maschinenfabrik wird ausreichen, mit ihr einen bescheidenen Haushalt zu gründen. Ja, sogar an Kinderchen werden wir denken dürfen, wenn auch nur an drei oder vier, besitzt doch die Petit-Paysan-Maschinenfabrik ein sozial fortgeschrittenes Erholungsheim für werdende Mütter ihrer Arbeiter und Angestellten.«
    »Well«, sagte Mr. Weeman und steckte das Portemonnaie ein.
    »Leben Sie wohl«, sagte Archilochos. »Gott segne Sie, und in der altneupresbyteranischen Kirche will ich für Sie beten.«

    6

    Doch vor der Haustüre traf er Bibi mit der hohlen Bruderhand.
    »Theophil mauste in der Nationalbank«, sagte der in seinem Rotwelsch. »Die Polente kam dahinter.«
    »Nun?«
    »Er muß in den Süden, bis sich die Lage beruhigt hat. Habe 31

    fünf Lappen nötig. Ich gebe sie auf Weihnachten retour.«
    Archilochos gab ihm Geld.
    »Was denn Bruder«, reklamierte der enttäuschte Bibi, »nichts als einen Heuer?«
    »Mehr ist nicht möglich, Bibi«, entschuldigte sich Archilochos verlegen und zu seinem Erstaunen ein wenig ärgerlich:
    »Wirklich nicht. Ich habe mit einem Mädchen im alkoholfreien Restaurant gegenüber dem Weltgesundheitsamt gegessen. Das Menü und eine Flasche Traubensaft. Ich will eine Familie gründen.«
    Bruder Bibi erschrak.
    »Was willst du mit einer Familie«, rief er empört aus. »Ich habe ja selber eine! Hat sie wenigstens Geld?«
    »Nein.«
    »Die Branche?«
    »Dienstmädchen.«
    »Wo denn?«
    »Boulevard Saint-Père Nummer 12.«
    Bibi pfiff durch die Zähne.
    »Geh nun pennen, Arnolph, aber noch einen Heuer.«

    7

    In seiner Mansarde angekommen, im fünften Stock, zog er sich aus. Er legte sich ins Bett. Eigentlich hatte er das Fenster öffnen wollen. Es war muffig. Doch waren die Aborte spürbarer als sonst. Er lag im Halbdunkel. An der Fassade gegenüber in den kleinen schmalen Fenstern brannte Licht, einmal in den einen, einmal in den anderen. Das Brausen ließ nicht ab.
    Abwechselnd leuchtete an der Wand der Mansarde eines der Bilder seiner Weltordnung auf, bald der Bischof, bald der Staatspräsident, jetzt Bibi mit seinen Kinderchen, nun die 32

    dreieckigen Vierecke auf dem Bilde Passaps, bald eine der anderen Nummern.
    »Morgen muß ich mir eine Photographie der Weemans ver-schaffen und einrahmen lassen«, dachte er.
    Die Luft war so stickig, so dumpf, daß er kaum atmen konnte. An Schlaf war nicht zu denken. Er war glücklich ins Bett gestiegen, nun kamen die Sorgen. Es war ihm unmöglich, mit Chloé in dieser Mansarde zu hausen, einen Haushalt zu gründen, die drei oder vier Kinderchen unterzubringen, die er auf dem Heimweg geplant hatte. Er mußte eine neue Wohnung finden. Dazu besaß er kein Geld, kein Vermögen. Er hatte alles an Bruder Bibi verschenkt. Nun gehörte ihm nichts. Nicht einmal das armselige Bett, der erbärmliche Tisch und der wacklige Stuhl. Er wohnte möbliert. Nur die verschiedenen Bilder seines sittlichen Weltgebäudes waren sein Eigentum.
    Die Armut bedrückte ihn. Die Zierlichkeit, die Schönheit Chloés brauchte Zierliches und Schönes, spürte er. Sie durfte nicht mehr zu den Brücken am Strom und zu den leeren Fässern in den Abfallgruben zurück. Immer bösartiger, immer widriger kam ihm das Brausen der Wasserspülungen vor. Er schwor, diese Mansarde zu verlassen; schon morgen, nahm er sich vor, würde er eine andere Wohnung suchen. Doch während er überlegte, wie denn dieses Ziel zu verwirklichen wäre, wurde er hilflos. Er sah keinen Weg. Er wußte sich eingesperrt in eine erbarmungslose Maschinerie, ohne Möglichkeit, das Wunder zu verwirklichen, das sich ihm an diesem Sonntag dargeboten hatte. Er wartete hilflos und verzagt den Morgen ab, der sich denn auch mit einem vermehrten Getöse der Wasserspülungen ankündigte.

    Gegen acht nun, noch in der Dunkelheit in dieser Jahreszeit, trottete Archilochos, wie jeden Montag aufs neue, mit den Heeren der Buchhalter, Sekretärinnen und
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