Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gretchen

Titel: Gretchen
Autoren: Chelsea Cain
Vom Netzwerk:
Brille hervor. »Hier darf man nicht fluchen.«
    »Tut mir leid, Frank«, sagte Henry. Er beugte sich vor und mahlte noch ein wenig mit dem Kiefer, ehe er fortfuhr. »Verlass die Station nicht«, sagte er zu Archie. »Ich muss wissen, dass du in Sicherheit bist.«
    Archie hatte Privilegien im Krankenhaus. Er durfte sich frei bewegen, solange er zur Medikamentenausgabe am Abend zurück war. Es nannte sich Stufe vier. Bei seinem Einzug war er Stufe eins gewesen. Er hatte sich von hochgradig gefährdet zu leicht gestört hinaufgearbeitet.
    »Niemals«, sagte Archie. »Wer würde dann Frank Gesellschaft leisten?«
    Frank hatte begonnen, seine Tonschlange wieder und wieder hin und her zu falten.
    Henry sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Woran arbeitest du da, Kumpel?«, fragte er.
    Franks Augen huschten zum Fernsehgerät, dann lächelte er und blickte auf seinen Ton. »Katzendärme«, sagte er.
    Henry warf Archie einen Blick zu. »Nett«, sagte er.
    Die Balkontür ging auf, und die Leute begannen wieder in den Raum zu kommen. Ihre leeren Gesichter waren vorübergehend belebt durch das Nikotin. In einigen Minuten würde eine Gruppentherapiesitzung beginnen. »Du musst jetzt gehen«, sagte Archie zu Henry.
    Henry zögerte. »Susan Ward ist draußen«, sagte er.
    »Ich weiß«, erwiderte Archie. »Sie stiehlt gern das WLAN.«
    »Du willst sie nicht sehen?«, fragte Henry.
    Tatsächlich war Archie ein paarmal nahe dran gewesen, sie hereinzulassen. Aber er hatte sich jedes Mal zurückgepfiffen. Das Letzte, was Susan gebrauchen konnte, war, in sein Leben verstrickt zu werden. »Ich möchte meine Werkarbeit gern abschließen«, sagte Archie.
    Henry schob die Hände in die Taschen und wandte sich zum Gehen. »Denk nach über das, was ich gesagt habe. Der Herbst soll sehr schön sein in Neuengland.«
    »Henry«, hielt ihn Archie auf. Seine Stimme war wie Stahl, und er würgte den Ton in seiner Hand. »Du musst den Befehl geben, final auf sie zu schießen. Wir dürfen sie nicht noch einmal entkommen lassen.«
    »Das ist das Vernünftigste, was du seit Monaten gesagt hast, mein Freund«, antwortete Henry.
    Frank lachte. Es war das erste Mal, dass Archie ihn überhaupt lachen hörte. Es war ein verstörendes Geräusch, als würde ein Kind weinen.

_ 8 _
    Die Beauty-Killer-Leichen-Tour hielt viermal täglich am Pittock Mansion. Randy stellte den Bus am Straßenrand ab, und alle Touristen stiegen mit ihrem Führer aus, zahlten den Eintritt zu dem Herrenhaus und wurden dann durch das Gebäude zu der Stelle im Garten geführt, wo Gretchen Lowell die Leiche eines Kieferchirurgen namens Matthew Fowler abgelegt hatte, dem sie zuvor die Gedärme herausgeholt hatte. Der Führer zeigte auf die Stelle im Gras, wo man ihn gefunden hatte, und die Leute machten Bilder davon.
    Randy wartete im Bus.
    Die Bewohner Portlands ließen vor dem steinernen Palast aus dem Jahr 1914 ihre Hochzeitsfotos machen, seit einer der Pittock-Enkel das Haus in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts an die Stadt verkauft hatte.
    Randy fragte sich, auf wie vielen Hochzeitsfotos jetzt wohl Idioten mit LAUF-GRETCHEN-T-Shirts im Hintergrund herumspazierten.
    Es war zehn Uhr. Der nächste Halt war ein Motel in North Portland, wo Gretchen den abgeschnittenen Penis eines armen Teufels in eine Eismaschine gestopft hatte. Randy gefiel dieser Punkt. Er betrachtete gern die Gesichter der Touristen, wenn der Führer den Deckel der Eismaschine aufklappte und sie den Gummi-Dildo sahen, den der Motelbesitzer dort zu ihrer Belustigung hineingelegt hatte.
    Gelächter.
    Er brauchte einen anderen Job.
    Er zog das T-Shirt mit dem Aufdruck BEAUTY KILLER BODY TOURS aus, wendete es und zog es wieder an. Dann stieg er aus dem Bus, um eine Zigarette zu rauchen. Er sollte den Bus eigentlich nicht unbeaufsichtigt lassen, aber scheiß drauf. Was konnten sie schon machen? Ihm den Penis abschneiden?
    Die Touristen waren im Haus, wo sie ohne Zweifel für sieben Eier pro Person die geschwungene Marmortreppe bewunderten. Der Garten kostete keinen Eintritt. Die Tourveranstalter hätten die Touristen direkt zu der Stelle führen können, wo Fowler gestorben war, aber stattdessen ließen sie sie erst für die Besichtigung des Hauses bezahlen. Es hielt die Pittock-Leute bei Laune, und alle wurden dank Portlands beliebtester Serienmörderin ein wenig reicher.
    Der Landsitz lag gut dreihundert Meter oberhalb von Portland, und an einem klaren Tag war die Aussicht spektakulär. Heute sah man
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher