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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde
Autoren: Neumeier Rachel
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hatte er nicht viel an das Delta gedacht. Mit Absicht hatte er es vermieden, an das Delta oder das Haus seines Vaters zu denken. Selbst nach dem Tod des Vaters hatte er seinen Gedanken nicht erlaubt, sich in diese Richtung zu bewegen. Jetzt stellte er fest, dass er diese bemühte Gleichgültigkeit bedauerte. Beinahe zum ersten Mal in seinem Leben fragte er sich, was er aus seinem Erbe gemacht hätte, wenn er sich dem Delta gewidmet hätte und nicht Iaors Hofstaat, und es erschien ihm erstaunlich und ein Grund zur Trauer, dass er jetzt nie mehr die Gelegenheit erhalten würde, das herauszufinden.
    Es war vielleicht ein wenig spät für solche Überlegungen. Und er konnte wohl kaum den Platz bedauern, den er an der Seite des Königs errungen hatte - oder den ihm Iaor zugestanden hatte - oder den sie gemeinsam festgelegt hatten. Letztlich hatte dieser Platz ... einfach alles überstanden. Und das zu wissen, ungeachtet all dessen, was ihn letztlich zwang, allein in die Wüste hinauszugehen, war sicherlich unendlich wertvoll.
    Bertaud wandte mit Bedacht den Blick von den Sternen ab, schaute nach unten und konzentrierte sich auf die Tischfläche zwischen seinen Händen. »Kairaithin?«, rief er.
    Dann wartete er.
    Der Greif kam. Er war in der Nacht kaum zu sehen, und doch schienen seine Schwingen den Himmel zu überspannen. Sternenlicht glitt vom Schnabel und von den Krallen; die Augen, von Feuer erfüllt, leuchteten heller als die Sterne. Das Rauschen der Luft zwischen den mächtigen Flügelfedern klang wie Sand, der über Gestein fuhr.
    Als er herabstieß, nahm er so übergangslos seine menschliche Gestalt an, dass Bertaud nicht sicher war, zu welchem Zeitpunkt der Greif zum Menschen wurde. Aber als Mensch geschah es, dass Kairaithin vortrat, und als Mensch, dass er Bertaud gegenüberstand.
    »Anasakuse Sipiike Kairaithin«, flüsterte Bertaud.
    Der Greif sah ihn einen Augenblick lang an, ohne etwas zu sagen. Schließlich ergriff er das Wort. »Du hast uns nicht zu eurer Schlacht gerufen. Wie du es versprochen hattest. Obwohl ihr geschlagen wurdet und vom Tode bedroht wart - oder Schlimmerem als dem Tod.«
    Bertaud fragte ihn nicht, was ein Greif wohl für schlimmer als den Tod erachtete. Er wusste bereits, dass Kairaithin damit die Niederlage und die damit verbundene Schande meinte. Er begriff, dass ein Greif vielleicht vor überlegener Kraft floh, aber sich niemals ergab. Das erschien ihm vollkommen natürlich. Das Greifenherz prägte inzwischen seines, sodass es schwierig geworden war, das eine vom anderen zu unterscheiden.
    »Die Taten von Menschen haben mich schon oft überrascht«, sagte Kairaithin leise. »Nicht zuletzt am heutigen Tag. Warum hast du in deiner äußersten Not beschlossen, mein Volk aus deinem Griff zu entlassen?«
    »Hätte ich geahnt, dass dein Volk uns retten könnte, dann hätte ich euch womöglich gerufen«, gestand Bertaud. »Ich dachte jedoch, das hätte eure Vernichtung bedeutet, ohne dass vermutlich irgendetwas erreicht würde ... Ich dachte nicht, dass ihr die Wüste durch all diesen kalten Regen hindurch mitbringen könntet, egal was ihr dafür opfert. Deshalb erschien es mir unerträglich, eure Hilfe einzufordern.«
    Kairaithin zog eine schmale Braue hoch. »Und jetzt?«
    »Jetzt ... erscheint es mir noch unerträglicher, irgendetwas zu tun. Ich habe dich gerufen - um dir zu versichern, dass ich nicht noch einmal nach dir rufen werde. Nicht nach dir und nicht nach irgendeinem aus deinem Volk.«
    »Was?«, fragte Kairaithin trocken. »Ungeachtet irgendeiner Notlage?« Er hielt kurz inne. »Weißt du, Mensch, was meiner Art geschähe, falls sie erführe, dass sie für dich nur Tiere sind? Dass man sie so leicht lenken kann wie Hunde oder Pferde?«
    »Ja«, antwortete Bertaud.
    »Sie würden bis zum eigenen Tod gegen dich kämpfen, wenn nicht gar bis zu deinem Tod.«
    »Ich weiß.«
    »Und wenn irgendjemand von ihnen aus irgendeinem Grund überlebte und du nicht, brächten sie jeden verbliebenen Funken Leben damit zu, an ihren eigenen Herzen und Seelen zu zweifeln, die vielleicht dem Willen eines anderen gehorchen. So unwahrscheinlich es möglicherweise ist, dass man noch einen Menschen mit einer so ungewöhnlichen Verbundenheit findet, die auch durch Feuer erweckt worden ist wie in deinem Fall: Sie würden es auf jeden Fall fürchten. Also gingen sie letztlich dazu über, auf Menschen Jagd zu machen, um dabei schlussendlich selbst vernichtet zu werden.«
    »Ich weiß. Du musst gut darauf
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