Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Grappa Und Die Seelenfaenger

Titel: Grappa Und Die Seelenfaenger
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
Vom Netzwerk:
Seele befreien sollen. Ich sag euch eins, Leute: Ich mach den Scheiß hier nur so gut, weil ich schon befreit bin! Und nun zieht anderen das Geld aus der Tasche. Deppen gibt es ja genug. Und wenn es einen Gott gibt, dann ist das der gute alte Mann mit Bart da oben, der aussieht wie Dan Kelly, und nicht der abgewichste kleinkriminelle Bigamist aus den Staaten, den ihr für euern Heiland haltet.
     
    Ich musste lachen. Brett langte ordentlich zu. Sein Streit mit der Kirche der Erleuchteten schien nicht neu zu sein.
    Tatsächlich fand ich einige ältere Zeitungsartikel, die sich mit den Auseinandersetzungen zwischen Brett und der Kirche befassten – darunter auch sehr seriöse Blätter.
    Brett war politisch völlig inkorrekt, oft richtig frauen- und migrantenfeindlich. Im Netz gab es einige Foren, die die Brett-Sprüche sammelten und sogar nach Themen ordneten.
    Zu einer angejahrten und talentfreien Blondine hatte er mal gesagt: Wenn man dich als Vogelscheuche aufstellt, bringen die Vögel die Kirschen vom Vorjahr zurück …
    Zu einem mit Akne verzierten Bengel mit arabischem Namen: Dein Gesicht gehört auf ein Poster für Empfängnisverhütung …
    Und ein Pummelchen, das keinen Ton traf, hatte sich Folgendes anhören müssen: Du, der Zoo hat gerade angerufen! Die möchten dich wiederhaben!
    Ich amüsierte mich köstlich. Der Mann war ein verbaler Randalierer. Niemand war vor ihm sicher. Er erlaubte sich alles. Darum nahmen ihm viele nichts übel.
    Ich beschloss, ihn gleich in der Überschrift meines Artikels zu zitieren:
     
    VOR DER WSDS-CASTINGSHOW –  POP-TITAN PITT BRETT LEGT SICH MIT AGGRESSIVER SEKTE AN:
    »IHR SEID EINE GURKENTRUPPE!
     
    « Pitt Brett, der umstrittene Jurychef, der immer wieder im Fokus von Medienwächtern und Jugendschützern steht, bekommt neuen Ärger: Diesmal hat er sich mit der Kirche der Erleuchteten angelegt. Auf seiner Homepage bezeichnet der Musikproduzent den Sektengründer Ronny Hovart als – so wörtlich – »abgewichsten kleinkriminellen Bigamisten aus den Staaten«.
 Sektenvertreter verteilen im Vorfeld der Castingshow in Bierstadt Flugblätter, in denen Brett als »unterdrückerische Person« bezeichnet wird.
 Das Papier ruft zum Boykott der Show auf. Brett behauptet, von der Sekte seit längerer Zeit bedroht zu werden. Der Privatsender, der WSDS produziert, hat den Personenschutz für den Jurychef erweitert.
     
    Schnack hielt sich nicht mehr in den Redaktionsräumen auf – er machte sich bestimmt schon chic für das Date mit Bärchen im Cinderella. Also konnte er meinen Artikel nicht gegenlesen. Was sollte es. Ich hatte ja nichts Anstößiges geschrieben.
    Ich rief Friedemann Kleist auf dem Handy an. »Hast du Lust, dir mal meinen neuen Chef anzusehen?«, fragte ich.
    »Den kenne ich schon«, entgegnete er. »Er hat seine Tour de raison im Präsidium schon hinter sich. Der Präsident hatte alle Abteilungsleiter dazugebeten.«
    »Und? Welchen Eindruck hast du?«
    Kleist lachte. »Es wird nicht leicht für ihn.«
    »Wie meinst du das?«
    Wieder Lachen. »Ich will es mal so ausdrücken, Maria. Ich beneide ihn nicht. Unter dir Chef zu sein, ist bestimmt nicht einfach.«
    »Komme ich so dominant rüber?«, grummelte ich.
    »Dominant ist nicht das richtige Wort«, erläuterte mein gelegentlicher Liebhaber. »Störrisch, rechthaberisch, trotzig – das sind die Adjektive, die mir eher zu dir einfallen.«
    Ich schluckte und sagte nichts.
    »Ich würde jetzt gern dein Gesicht sehen«, freute sich Kleist. »Flunsch und gekräuselte Stirn? Richtig?«
    »Ich hab noch einen Termin«, wich ich aus. »Schönen Abend noch.«
    »Wolltest du mich nicht eigentlich mitnehmen zu dem Termin?«, erinnerte er sich.
    »Hast du denn Lust auf ein schnelles Bier im Cinderella? In einer halben Stunde?«

Naaa naa naa na, na na na …
    Das Cinderella befand sich im Osten der Stadt. In einem Kneipenviertel, in dem es Fast-Food-Chinesen und teure Italiener genauso gab wie Schwulenkneipen und Künstlercafés. Ich hatte meinen Golf im Parkverbot abgestellt. Von hier aus hatte ich einen guten Blick auf die Eingangstür der Kneipe. Schnack und sein Bärchen sollten Gelegenheit zum Turteln haben, bevor ich auftauchte. Aber noch war Schnack nicht eingetroffen.
    Aus dem Kneipenraum schmachtete die Stimme von Marianne Rosenberg:
     
    Er gehört zu mir, / wie mein Name an der Tür …
     
    Ein Taxi hielt auf der Höhe meines Wagens. Ich erkannte Schnack auf dem Beifahrersitz und drehte mich zur Seite.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher