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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Klasse 11.

    Patrick Sello war ein außergewöhnlich gut aussehender junger Mann. Er hatte den leicht arroganten Blick, den die Menschen haben, die auf der Sonnenseite des Lebens geboren werden. Caroline von Fuchs stand ihrem Mitstreiter in nichts nach. Eine junge Frau mit offenem Lachen und glänzenden grünen Augen. Sie trug ihr hellblondes Haar wie eine Ballerina zu einem konservativen Knoten gebunden.

    Ich ließ das Foto auf mich wirken. Blickte ich in die Gesichter von Toten? Oder gab es auf dem Internat mehrere elfte Klassen? War dieser Patrick Sello der Amokläufer?

    Ich googelte den Namen Sello. Er war bekannt und weit verbreitet. Die Sello-Sippe bestand aus einer großen Anzahl von Gärtnern – die meisten im Dienste des preußischen Königs. Aber es gab auch Sellos, die keinen interessanten historischen Hintergrund hatten. Das brachte mich nicht weiter.

    Ich öffnete die Trickkiste meines journalistischen Daseins. Darin befanden sich einige erfolgreiche Bluffs.

    Ja, so würde es gehen, beendete ich meinen Denkprozess. Aber nicht mit Kleist – der würde mich sofort durchschauen.

    Ich verdrängte den Gedanken an unseriöse journalistische Praktiken und wählte die Nummer des Oberstaatsanwaltes Abel Ritter. Er ging sogar selbst ans Telefon.

    »Hallo, hier Grappa vom Tageblatt. Ich brauche mal Ihren fachmännischen Rat, Herr Ritter.«

    Ich war gespannt, ob er mir auf den Leim gehen würde.

    »Bei uns in der Redaktion hat gerade ein Herr Sello angerufen«, plapperte ich weiter. »Er ist der Vater eines Schülers auf Schloss Waldenstein. Er hat so merkwürdige Andeutungen gemacht, die ich nicht verstanden habe.«

    »Was für Andeutungen?«, fragte Ritter.

    »Dass sein Sohn Patrick unschuldig sei. Dass er niemals Selbstmord begehen würde … Es schien fast so, als sei dieser Sello der Vater des Amokläufers. Der Mann war jedenfalls schrecklich aufgeregt.«

    »Und welchen Rat wollen Sie von mir?«

    Ich schluckte. »Ich wollte nur wissen, ob ich Ihre Ermittlungen in irgendeiner Weise gefährde, wenn ich den Namen Patrick Sello erwähne – als den des mutmaßlichen Täters?«

    »Seit wann lassen Sie sich von der Staatsanwaltschaft raten, was Sie zu schreiben haben?«, wunderte sich der Chefermittler. »Aber wenn Sie es schon mal tun, dann kürzen Sie bitte den Nachnamen ab. Um die Angehörigen zu schützen. Die haben es zurzeit nicht gerade leicht.«

    Ich bedankte mich und legte den Hörer auf – grinsend. Patrick Sello, so hieß also der Täter!

    Ich rief Jansen an und informierte ihn, dass ich erst später in die Redaktion kommen würde. Als er den Grund dafür erfuhr, meinte er: »Irgendwo ganz tief in dir, Grappa, bist du ja doch auch menschlich.«

    »Bist du dir da sicher?«, fragte ich. »Ich fühl mich grad gar nicht so. Ich hab nämlich den Staatsanwalt übel belogen und voll reingelegt.«

    Ich gab ihm einen Kurzbericht.

    »Das muss der Ritter wegstecken, falls er überhaupt dahinterkommt«, tröstete mich mein Chef. »Vierzig Zeilen auf der Eins?«

     
    Anneliese Schmitz saß hoch aufgerichtet in ihrem Krankenbett, trug eine weiße Wolljacke und hielt das Bierstädter Tageblatt in den Händen. Ihre linke Wange zierte ein Riss, der mit den schmalen Pflasterstreifen überklebt war, die man aus Fernsehkrimis kennt. Als sie mich sah, leuchteten ihre Augen auf. Gleichzeitig bildete sich auch eine Unmutsfalte auf ihrer Stirn.

    »Wie isses?«, begann ich forsch.

    »Muss«, erwiderte sie mit kräftiger Stimme, aber eher knurrend. Auf die Gegenfrage: »Und selbst?«, wartete ich vergebens.

    »Ich habe mir Sorgen gemacht, Frau Schmitz. Ihr Laden war geschlossen und man konnte die Unordnung sehen. Und es klebte ein Polizeisiegel an der Tür.«

    »Von Ihren Sorgen habe ich in Ihrer Zeitung aber nichts gelesen, Frau Grappa.«

    Oh. Sie hatte ihren Namen im Blatt gesucht und nicht gefunden. Auf die Idee, den Überfall auf die Bäckerei in die Zeitung zu bringen, war ich gar nicht gekommen.

    »Wir hatten gar keine Informationen über das Geschehene, da konnten wir auch nichts schreiben«, redete ich mich heraus, »und dann die ganze Aufregung wegen der Sache in der Schule. Aber nun können Sie mir ja alles höchstpersönlich erzählen. Wir bringen dann morgen einen Bericht.«

    Ich zog den Block aus meiner Tasche und das Glas mit den Rollmöpsen, das ich unterwegs gekauft hatte.
    Ich gab es ihr mit den Worten: »Frau Schmitz, Sie backen immer diese leckeren Mandelhörnchen. Aber ich denke,
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