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Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig

Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig

Titel: Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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zurückzog, umso mehr strengte sich das Baby an, ihn ja nicht wieder loszulassen.
    Ich zog und es klammerte weiter, begann vor Freude zu quieken und setzte den ganzen Körper ein, drückte den Kopf in den Arm seiner Mutter, schloss vor Anstrengung die schwarzen Kohlenaugen.
    Betty Blue lachte glucksend, unsere Blicke begegneten sich und ich Kinderlose fühlte ein jähes Bedauern darüber, dass ich manche Emotionen nie kennen lernen würde. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag, meine Lippen zitterten und ich musste mit geschlossenen Augen tief durchatmen, um mich wieder in den Griff zu bekommen.
    Betty Blue schaute mich prüfend an, sie hatte vermutlich instinktiv begriffen, was in mir abgelaufen war, schwieg aber wohl aus Höflichkeit.
    Der Prinz hatte noch immer meinen Finger in seinem Besitz, war aber jetzt ruhiger geworden und starrte mich mit seinen schwarzen Augen an, offen und ernst. Kinderaugen kamen mir oft wie tiefe Brunnen vor, bereit, sich füllen zu lassen.
    Vielleicht reißt er dir in fünfzehn Jahren die Handtasche weg, dachte ich, und kauft sich Drogen von der geklauten Kohle.
    Das Kind ließ meinen Finger plötzlich los – als habe es meine gehässigen Gedanken erraten.
    »Ich hab's nicht so gemeint«, murmelte ich und strich ungeschickt über die schwarzen Haare des Kleinen. Doch er wandte den Blick ab und fing an zu schreien.
    »Der Prinz hat Hunger«, plapperte Betty Blue. »Einen Moment, bitte. Ich muss das Fläschchen warm machen.«
    Sie sprach perfektes Deutsch. Ich hörte sie in der Küche herumfuhrwerken und sah mich im Wohnzimmer um. Die Einrichtung verband asiatische Tradition mit Ikea-Sachlichkeit: ein Tisch aus billiger Kiefer – darüber aber eine rotgoldene Decke aus feiner Seide, die mit blauen Stickereien verziert war.
    Betty Blue kam mit dem Fläschchen in der Hand und dem Kind auf dem Arm zurück. Der Kleine öffnete automatisch den Mund, als sich der Gummiverschluss näherte.
    »Warum nennen Sie sich Betty Blue?«, fragte ich.
    »Niemand kann meinen Namen aussprechen«, erklärte sie. »Und Blau ist meine Lieblingsfarbe. Die Farbe von Meer und Himmel.«
    Sie setzte sich neben mich aufs Sofa, der Kleine trank mit geschlossenen Augen und gab ab und zu ein leichtes Grunzen von sich.
    »Sie sprechen gut Deutsch«, stellte ich fest. »Leben Sie schon lange hier?«
    »Ich bin in Deutschland zur Schule gegangen.«
    »Und? Arbeiten Sie auch in dem Gewerbe?«
    »Gewerbe? Sie meinen Prostitution? Nein, ich arbeite in einem chinesischen Restaurant.«
    »Aber Sie sind doch Thailänderin!«
    »Und?«, lächelte sie. »Das ist den Gästen egal. Schmale Augen und schwarzes Haar, dann schmeckt den Gästen das Schweinefleisch gleich besser.«
    Wir lachten.
    »Sie wissen, was mit den Schwestern passiert ist?«, fragte ich.
    »Ja, die Polizei hat es mir gesagt.«
    »Kannten Sie die Mädchen gut?«
    Betty Blue starrte in den Tee, als würde sie die Antwort dort vorgeschrieben bekommen.
    »Sie waren freundlich und mochten das Baby.«
    »Wer kann das getan haben?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hatten die beiden oft Besuch?«
    Das Baby war mit der Mahlzeit fertig. Betty wischte ihm den Mund ab, brachte es ins Kinderzimmer und setzte sich wieder. Sie braucht viel Zeit für die Antworten, dachte ich, als Quelle für neue Fakten ist sie wohl nicht zu gebrauchen.
    »Und? Waren die beiden gut im Geschäft?«, wiederholte ich die Frage.
    »Wie man es nimmt.« Sie lächelte versonnen, setzte die Tasse an die Lippen und schlürfte ein wenig von dem Tee. »Sie hatten Stammkunden. Den toten Mann. Die Polizei hat mir Bilder gezeigt. Und dann kam noch jemand in den letzten Wochen, der mir bekannt vorkam.«
    »Und wer?«
    Sie antwortete nicht, stand auf, ging im Zimmer auf und ab, schien mit sich zu kämpfen.
    »Ich habe ihn mal im Flur getroffen«, berichtete sie. »Er parkte seinen Wagen immer in der Seitenstraße. Die Mädchen lachten darüber.«
    »Haben sie seinen Namen erwähnt?«
    »Nein. Aber ich habe ihn später nochmal gesehen. Zufällig. Da wusste ich, wer es ist.«
    Jetzt wurde es spannend. Dieser Besucher musste wohl etwas zu bedeuten haben – so wie sie sich verhielt.
    »Weiß die Polizei von diesem Mann?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Warum nicht?«
    »Ich habe Angst.«

Pinot und Pauken
    Merkwürdig. Kati war noch nicht zu Hause, als ich von Betty Blue zurückkam. Die Information über die Identität des geheimnisvollen Besuchers, die ich natürlich inzwischen ermittelt hatte, würde
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