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Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
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kochend heißen Kaffee auf eine
Weise, die mich vermuten ließ, dass er im Mund auch nicht
mehr besonders viele Nerven besitzen konnte. Ich nippte
vorsichtig an meinem Becher, und der Kaffee darin war
immer noch fast unerträglich heiß. Warum machen die das
– warum servieren sie den Kaffee so verdammt heiß? Sie
wissen doch, dass man auf einen Zug wartet und nicht allzu
viel Zeit hat, das Zeug zu trinken!
»Ich war unten in der Röhre«, erklärte Alkie Albie und
bestätigte, was ich ohnehin vermutet hatte. Er zeigte auf die
Rolltreppen, die zur Untergrundbahn hinabführen, ein
Stück weiter vorn, bei den Fahrkartenschaltern. »Es ist
schön warm da unten. Ich verbringe den größten Teil des
Tages unten in der Röhre, bis die Bahnbullen mich rauswerfen. Elende Mistkerle, die Bullen. Ich schlafe meistens im
Freien, in Eingängen und so. Und es ist verdammt kalt da.«
Ich wusste, wovon er redete, sagte aber nichts, weil ich
ihn nicht ermutigen wollte, auch wenn diese Einsicht vielleicht ein wenig spät kam und er nicht aussah, als brauche er
Ermutigung.
Er rieb sich mit dem Ärmel über die Nase und schniefte
laut. »Die Kälte macht einem zu schaffen. Besonders den
Lungen.«
»Haben Sie versucht, in den Männerwohnheimen der
Heilsarmee unterzukommen?«, fragte ich.
»Ich geh nich in ein Wohnheim, wenn ich nicht unbedingt muss. Da musst du ständig baden und all diesen
Kram. Ist überhaupt nich gesund, das Baden. Wäscht all die
natürlichen Öle ab.« Schlürf. Schnief. Schnaub. »Haben Sie
eine Arbeit, junge Frau? Oder leben Sie von der Stütze?«
»Im Augenblick hab ich keine Arbeit, nein«, gestand ich.
»Ich hab als Kellnerin gejobbt, aber das Café ist ausgebrannt.«
»Eine Schande«, fühlte er mit mir. »Schutzgelderpresser,
wie?«
»Nein, die Frittierpfanne.«
»Böse Sache.«
»Ich möchte Schauspielerin werden«, vertraute ich ihm
Gott weiß warum an. Vielleicht, damit er mit dem ständigen
Schniefen aufhörte.
»In den Bars in Soho suchen sie dauernd Mädchen. Ein
wenig kellnern, ein wenig strippen. Kein schlechter Job.«
»Ich möchte schauspielern , Albie!«, fauchte ich. »S-C-H-A-US-P-I-E-L-E-R-N, kapiert?«
»Ja, ja, Theaterschauspielerin«, sagte er großzügig. »Ich
weiß, was das ist. Ich bin nicht dumm. Sein oder nicht sein,
das ist der Knackpunkt.«
»Die Frage, Albie. Es heißt die Frage !« Ich war nicht sicher, warum ich mir die Mühe machte; vielleicht habe ich
gespürt, dass unter all dem Schmutz eine freundliche, umgängliche Person steckte. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, ich
könnte dem armen Teufel nicht einfach sagen, dass er sich
verziehen sollte.
»Ich hab auch mal geschauspielert.« Er lehnte sich auf der
Metallbank zurück und starrte verträumt auf den Quick
Snack Imbissstand. Die Leute hatten sich von uns zurückgezogen, und wir saßen in behaglicher Isolation nebeneinander.
Ich dachte, dass er jetzt auch verdammt gut schauspielerte, wenn man bedachte, wie leicht er mir die Tasse Kaffee
aus den Rippen geleiert hatte. Mit seinen nächsten Worten
lehrte er mich Mores.
»Ich war beim Varieté«, fuhr er fort. »Gibt heute kein Varieté mehr. Das Fernsehen hat dem Varieté den Garaus gemacht. Wir hatten fantastische Aufführungen im Varieté,
hatten wir, ja!«
»Erzählen Sie weiter, Albie.« Ich war überrascht und ehrlich interessiert. Der arme alte Bursche. Er war früher einmal jemand gewesen. Was nur wieder einmal zeigt, dass
man keine vorschnellen Urteile fällen sollte. O Gott, wie er
heute aussah! Würde ich eines Tages auch so enden? Als
Tippelschwester, völlig durchgeknallt und mit all meinen
Habseligkeiten in ein paar Plastiktüten?
»Ich hatte Pudel«, erzählte Albie. »Sie sind sehr intelligent, diese Pudel. Sie lernen schnell. Drei Stück hatte ich.
Mimi, Chou-Chou und Fifi. Sie konnten Kunststücke, wissen Sie? Sie würden nicht glauben, wie clever diese Tiere waren! Sie konnten Fußball spielen, auf den Hinterpfoten laufen, sich tot stellen. Mimi hat Fifi in einem kleinen Wagen
durch die Gegend geschoben, verkleidet wie eine Krankenschwester mit einem Rüschenhäubchen, und Fifi hatte ein
Schlabberlätzchen um. Aber Chou-Chou, der is der Schlaueste von allen gewesen. Er konnte zählen und rechnen. Ich hab
ihm ’ne Karte hingehalten, und er hat die richtige Punktzahl
gebellt. Ich hab ihm ’n Zeichen gemacht, sicher, doch die
Zuschauer haben das nie mitgekriegt. Er war der beste
Hund, den ich je hatte, mein Chou-Chou, und er war
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