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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
Autoren: Yang Jisheng
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Veränderungen durchgemacht. Aber da das politische System noch immer das alte ist, haben die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen den Konflikt zwischen Überbau und wirtschaftlicher Basis eher verschärft. Der schlimmste Ausdruck dieser Zuspitzung ist die ungerechte Verteilung von Lasten und Nutznießung der wirtschaftlichen Reformen. Das heißt, die Schichten, die die meisten Lasten tragen, kommen am wenigsten in den Genuss der Früchte der Reformen, sie bilden sogar die schwächste Bevölkerungsschicht; und die Schichten, die am wenigsten die Lasten der Reformen tragen, sind ihre größten Nutznießer und bilden die mächtigste Bevölkerungs- (oder Interessen-)gruppe. Die reine Profitorientierung der Marktwirtschaft wird nicht von der totalitären Macht kontrolliert, unentwegt produziert sie gesellschaftliche Ungerechtigkeit und verschärft die Unzufriedenheit der unteren Schichten.
    Im China des neuen Jahrhunderts, so glaube ich, weiß im Grunde seines Herzens jeder – ob er nun zu den Mächtigen gehört oder zu den einfachen Leuten – , dass das totalitäre System am Ende ist. Die Frage ist, wie man bei einer Veränderung des Systems die gesellschaftlichen Erschütterungen kleinhält, wie man verhindert, dass die gesellschaftliche Umwälzung zu Zerstörungen führt. Dieses Problem muss man bedenken. Ich glaube, nur wenn alle zusammen und nicht aus persönlichen oder Gruppeninteressen heraus, sondern im Interesse der Gesellschaft aktiv und selbstbewusst die Reform des gesellschaftlichen Systems vorantreiben, kann man einen Weg finden, die gesellschaftlichen Erschütterungen und den gesellschaftlichen Schaden zu minimieren.
    Die Errichtung des Systems der Marktwirtschaft hat längst die Grundlagen für eine politische Demokratisierung geschaffen und das totalitäre System in eine posttotalitäre Phase übergehen lassen. Ich bin der festen Überzeugung, dass in China eines Tages das totalitäre durch ein demokratisches System ersetzt werden wird und dass dieser Tag nicht mehr fern ist.
    Bevor allerdings das totalitäre System endgültig zu Grabe getragen werden kann, werde ich ihm zuvor einen Grabstein errichten, damit unsere Nachfahren wissen: In einem bestimmten Abschnitt ihrer Geschichte hat die menschliche Gesellschaft in einigen Staaten Systeme errichtet, die im Namen einer »Rettung der Menschheit« in Wahrheit nur zu deren Versklavung geführt haben. Der »Weg ins Paradies«, den diese Systeme versprochen haben, war in Wahrheit ein Weg in den Tod.

Kapitel 1
    Die Katastrophe nahm in der Zentralen Tiefebene
ihren Anfang
    Die Provinz Henan liegt in der Zentralen Tiefebene, im Herzen Chinas. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde hier die Rote Fahne am höchsten gehalten, hier machte man am meisten »Erfahrungen«, und hier war der Hunger am schlimmsten. Der Hunger in Henan ging von einer politischen Kampagne aus. 1957 waren 70000 Menschen zu Rechtsabweichlern erklärt worden, das waren 12,73 Prozent der Gesamtzahl von 550000 Rechtsabweichlern des ganzen Landes und 15 Prozent sämtlicher Kader aus Henan. [10]   1958 wurde innerhalb der Partei erneut eine Kampagne zur Enthüllung und Kritik »der rechtsgerichteten, antikommunistischen Clique von Pan, Yang und Wang« durchgeführt. Die politische Kampagne wurde fanatisch und schrecklich, sie wurde übertrieben und grausam und sie führte zu einer Reihe von grauenhaften Tragödien, darunter erregten »die Ereignisse von Xinyang« das größte Aufsehen.

Die Ereignisse von Xinyang
    Das Gebiet von Xinyang liegt im Südosten von Henan, wo die Provinz an Hubei und Anhui grenzt. 1958 verwaltete Xinyang mit Xinyang, Xi und Gushi insgesamt 18 Kreise und mit Xinyang und Zhumadian zwei Städte und Großgemeinden (damals war Zhumadian eine Großgemeinde). Das gesamte Gebiet umfasste eine Fläche von 28000 Quadratkilometern mit 8,5 Millionen Einwohnern. Über die Hälfte dieses Gebietes waren mit dem Großen Bie-Berg und mit dem Tongbai-Berg alte revolutionäre Stützpunktgebiete, hier hatten sich während des Krieges Hunderttausende für die Revolution geopfert.
    Die Alten hier sagten: »Das Große Bie-Massiv und das Gras haben sich um die Kommunistische Partei verdient gemacht.« Hier ist das wichtigste Produktionsgebiet für Baumwolle, das Hunan hat, außerdem werden hier Tee, Holz, Moso-Bambus, Tongöl und Arzneimittel im Überfluss produziert, daher so schöne Dorfnamen wie Türkisberg, Grünwasser und Fischreis. Die berühmte
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