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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer
Autoren: Tess Gerritsen
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mit der Aufschrift CT stehen und sagte leise: »Ich glaube, sie filmen schon.«
    Sie schlüpften unauffällig in den CT-Kontrollraum, wo das Kamerateam in der Tat schon aufzeichnete, während Dr. Brier die Technologie erläuterte, die sie anwenden würden.
    »CT ist die Abkürzung für Computertomographie. Unser Gerät schießt aus Tausenden von verschiedenen Blickwinkeln Röntgenstrahlen auf den Patienten oder die Patientin ab. Anschließend verarbeitet der Computer diese Informationen und erzeugt ein dreidimensionales Bild der inneren Anatomie. Sie werden es auf diesem Monitor sehen können. Es wird aussehen wie eine Serie von Querschnitten – so, als hätten wir den Körper in lauter dünne Scheiben zerlegt.«
     
    Während die Kameras und Mikrofone weiter aufnahmen, trat Maura an das Sichtfenster. Und durch die Scheibe erblickte sie Madam X zum ersten Mal.
    In der ganz eigenen Welt der Museen waren ägyptische Mumien die unumstrittenen Superstars. Ihre Vitrinen waren es, um die sich in aller Regel die Schulkinder drängten, wo sie sich die Nasen am Glas platt drückten, fasziniert vom seltenen Anblick des Todes. In der modernen Welt bekam man nicht allzu oft eine echte menschliche Leiche zu Gesicht, und wenn, dann nur in der akzeptablen Form einer Mumie. Alle liebten Mumien, und Maura bildete da keine Ausnahme. Gebannt starrte sie durch die Scheibe, dabei war da lediglich ein Bündel mit den Konturen eines menschlichen Körpers zu sehen, das in einer offenen Kiste lag, jeder Zentimeter Haut unter uralten Leinenbinden verborgen. Auf dem Gesicht ruhte eine Maske aus Kartonage – das gemalte Gesicht einer Frau mit ausdrucksvollen dunklen Augen.
    Aber dann zog eine andere Frau im CT-Raum Mauras Aufmerksamkeit auf sich. Mit Baumwollhandschuhen an den Händen beugte die junge Frau sich über die Kiste, um das Verpackungsmaterial aus Schaumstoff herauszunehmen, mit dem die Mumie gepolstert war. Schwarze Ringellocken fielen ihr ins Gesicht. Sie richtete sich auf und strich sich das Haar nach hinten, und jetzt konnte Maura ihre Augen sehen – ebenso dunkel und faszinierend wie die gemalten Augen der Maske. Ihre mediterranen Züge wären in einem ägyptischen Tempelgemälde nicht weiter aufgefallen, doch ihre Kleidung war absolut modern: eine hautenge Jeans und ein Live-Aid-T-Shirt.
    »Sie ist wunderschön, nicht wahr?«, murmelte Dr. Robinson.
    Er war neben Maura getreten, und im ersten Moment war sie sich nicht sicher, ob er Madam X oder die junge Frau meinte.
    »Sie scheint in einem ausgezeichneten Zustand zu sein. Ich hoffe nur, dass der Körper selbst ebenso gut erhalten ist wie diese Leinenbinden, in die sie gehüllt ist.«
    »Was glauben Sie, wie alt sie ist? Können Sie eine Schätzung wagen?«
    »Wir haben eine Probe der äußeren Hülle ins Labor geschickt für eine C14-Analyse. Das hat unser Budget so ziemlich gesprengt, aber Josephine hat darauf bestanden. Das Material wurde auf das zweite Jahrhundert vor Christus datiert.«
    »Das ist die Ptolemäische Periode, nicht wahr?«
    Er lächelte erfreut. »Sie kennen sich aber aus mit den ägyptischen Dynastien.«
    »Ich hatte Anthropologie als zweites Hauptfach, aber ich fürchte, bis auf das und die Kultur der Yanomami habe ich alles wieder vergessen.«
    »Ich bin dennoch beeindruckt.«
    Sie starrte den eingehüllten Leichnam an und machte sich staunend bewusst, dass das, was da in dieser Holzkiste lag, über zweitausend Jahre alt war. WeIch eine Reise diese Mumie hinter sich hatte: über den Ozean, über die Jahrtausende hinweg, und das alles, um nun auf einem CT-Tisch in einem Bostoner Krankenhaus zu liegen, begafft von neugierigen Augen.
    »Werden Sie sie für das CT in der Kiste lassen?«, fragte sie.
    »Wir wollen sie so wenig wie möglich bewegen. Die Kiste wird nicht weiter stören. Wir werden trotzdem genug von dem sehen, was unter dem Leinen verborgen ist.«
    »Sie haben also nicht einmal einen klitzekleinen Blick riskiert?«
    »Sie meinen, ob ich sie ausgewickelt habe?« Seine sanften Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Um Gottes willen, nein.
    Vor hundert Jahren hätten Archäologen so etwas vielleicht gemacht, und genau dadurch haben sie auch so viele Exemplare beschädigt. Unter diesen Leinenbinden befinden sich wahrscheinlich mehrere Schichten Harz, deshalb kann man sie nicht einfach so abziehen. Möglicherweise muss man die Hülle schichtweise abtragen. Es ist nicht nur zerstörerisch, es ist auch respektlos. Ich würde so etwas nie tun.« Sein
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